Stand des Verfahrens zur Ausübung des Vorkaufsrechts/Erteilung eines Negativzeugnisses bzgl. der Wohnanlage Gleditschstraße 49 - 53 / 57 – 69 (Milieuschutzgebiet Barbarossaplatz/Bayerischer Platz)
Mündliche Anfrage der Bezirksverordneten Dr. Christine Scherzinger (LINKE)
Ich frage das Bezirksamt:
1. Was wird nach Kenntnis der Bezirksverwaltung auf verschiedenen
Ebenen zur verlässlichen sozialen Absicherung der Mieter_
innen der Gleditschstraße 49 - 53 und 57 - 69 für den langfristigen
Erhalt des genutzten Wohnraums - auch bei geänderten politischen
Mehrheitsverhältnissen und darin begründeten Rechtsetzungsänderungen,
die z.B. Änderungen oder Aufhebungen der
Erhaltungsverordnung nach sich ziehen - unternommen?
Zu Frage 1:
Dem Bezirksamt sind keine besonderen Maßnahmen für eine verlässliche
soziale Absicherung und zum Erhalt des Wohnraums der Mieterinnen
und Mieter der Gleditschstraße 49-53 und 57-69 auch im Falle
geänderter politischer Mehrheitsverhältnisse bekannt. Milieuschutzgebiete
werden durch Rechtsverordnung festgesetzt. Rechtsverordnungen
gelten wie andere gesetzliche Normen auch unabhängig von
Wahlperioden. Es ist allerdings das demokratisch legitimierte Recht
des gewählten Normgebers, Gesetze zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben.
Im Zusammenhang mit dem Milieuschutz ist ferner darauf hinzuweisen,
dass er von vornherein nicht dem Mieterschutz dient und kein Instrument der
sozialen Absicherung der Mieterinnen und Mieter darstellt.
Es handelt sich um ein städtebauliches Instrument. Der gezielte
Schutz von Mieterinnen und Mietern wäre Aufgabe eines gemeinwohlorientierten
sozialen Mietrechts. Die Zuständigkeit hierfür liegt beim
Bund.
Im derzeit laufenden Vorkaufsrechtsverfahren ist es das Ziel des Bezirksamtes,
mit dem Käufer eine Abwendungsvereinbarung abzuschließen
oder andernfalls das Vorkaufsrecht ausüben zu können.
Beide Maßnahmen würden mittelbar auch den Schutz der Mieterinnen
und Mieter der Gleditschstraße bewirken können.
2. Wie viele Anträge auf Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum
(Umwandlung zur Vermietung bestimmten Wohnraums in
Wohneigentum) wurden nach Kenntnis des Bezirks seit Erlass
der sozialen Erhaltungsverordnung für das Milieuschutzgebiet
Barbarossaplatz/Bayerischer Platz im Jahr 2014 gestellt? (bitte
genaue Angabe des Datums, des Blocks sowie der Anzahl der betroffenen
Wohnungen)
Zu Frage 2:
Die Beantwortung dieser Frage übersteigt den Rahmen einer mündlichen
Anfrage deutlich. Es werden darüber hinaus auch statistisch keine
baublockbezogenen Daten erhoben. Eine Beantwortung ist daher
nicht möglich.
Nachfragen:
1. Inwieweit erfordert es das durch die Erhaltungsverordnung von
2014 zu fördernde Wohl der Allgemeinheit im Milieuschutzgebiet
Barbarossaplatz/Bayerischer Platz (vgl. Begründung zur Erhaltungsverordnung),
neben einer Begrenzung von Modernisierungen
und dem zeitlich begrenzten Ausschluss von Umwandlungen
in Wohneigentum in Abwendungsvereinbarungen auch den Erhalt
der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung absichernde
Vorgaben für Käufer aufzunehmen, wie etwa zum generalisierten
Ausschluss von Eigenbedarfskündigungen
oder zur langfristigen Orientierung an gebietstypischen Mieten,
wie im „Konzept für die Nutzung von Vorkaufsrechten nach dem
Baugesetzbuch in Berlin“ der von Juli 2017 aufgezeigt (vgl. Sen-
Fin, /SenStadt)
Zu Nachfrage 1:
Die Erhaltungsverordnung verlangt aus sich heraus nicht die Förderung
des Wohls der Allgemeinheit, sondern bestimmte Maßnahmen,
wie beispielsweise die Ausübung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten,
müssen ihrerseits durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt
sein. Dabei dienen die benannten Maßnahmen wie die Begrenzung
von Modernisierung und Umwandlung von Wohnraum dem
Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Es wäre zwar
wünschenswert, in Abwendungsvereinbarungen auch unmittelbar
mietrechtlich wirkende Regelungen aufnehmen zu können. Hierzu
würde ein genereller Ausschluss von Eigenbedarfskündigungen zählen.
Allerdings ist zu beachten, dass es sich beim Milieuschutz um ein
städtebauliches und eben nicht um ein sozial- oder mietrechtliches Instrument
handelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat für eine vergleichbare
Fragestellung im Sanierungsrecht bereits entschieden, dass die
Gemeinde sich nur solcher Instrumente bedienen dürfe, die
ihr das Baugesetzbuch einräumt. Mietrechtliche Regelungen gehören
nicht hierzu. Andernfalls besteht die Gefahr, dass entweder die Ausübung
des Vorkaufsrechts anfechtbar oder die abgeschlossene Abwendungsvereinbarung
unwirksam wäre.
2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bezirksverwaltung prozentual der
Anteil von durch die Eigentümer selbst genutzten oder vermieteten
Eigentumswohnungen am gesamten Wohnungsbestand im
Milieuschutzgebiet Barbarossaplatz/Bayerischer Platz?
Zu Nachfrage 2:
Der damalige Untersuchungsbericht zum Erhaltungsgebiet Barbarossaplatz
/ Bayerischer Platz hatte festgestellt, dass der Anteil an in
Eigentum umgewandelten Wohnungen und an selbstnutzenden Eigentümern
sehr hoch war (ist). 36% aller Wohnungen sind in Eigentum
umgewandelt, 19% aller Wohnungen werden von ihren Eigentümer
bewohnt, ca. 17% der Wohnungen sind vermietete Eigentumswohnungen.
Derartig hohe Anteile an umgewandelten Wohnungen sind in
der Berliner Innenstadt selten (…zum damaligen Zeitpunkt der Untersuchung
- Red.). … Der Anteil selbstnutzender Eigentümer liegt mit 19
% deutlich über dem Berliner Durchschnitt von 15,8% - der aber vor allem
durch Eigentum in den Außenbezirken erreicht wird. Zum Vergleich
stellt der Bericht fest: „Im Erhaltungsgebiet Bergmannstraße-
Nord sind lediglich 19 % der Wohnungen umgewandelt worden und
werden 8 % von den Eigentümern selbst genutzt.“
Jörn Oltmann,
Bezirksstadtrat