Wie wirkt sich das Zweckentfremdungsverbot im Bezirk aus?

Kleine Anfrage, BV Elisabeth Wissel (LINKE)

Sehr geehrter Herr Bezirksverordnetenvorsteher Böltes,

die o.g. Kleine Anfrage beantworte ich für das Bezirksamt wie folgt:

 

Zu Frage 1: 

Wie viele Objekte, die unter das Zweckentfremdungsverbot fallen, wurden 2016 und 2017 vom Bezirksamt als solche festgestellt, und um welche Art der Zweckentfremdung handelte es sich dabei?

Antwort:

In dem genannten Zeitraum wurden 1.672 (2016: 957, 2017: 715) Verfahren wegen des Verdachts einer Zweckentfremdung eingeleitet. In 114 (2016: 65, 2017: 49) kontrollierten Fällen konnte keine Zweckentfremdung festgestellt werden. In 19 (2016: 5, 2017: 14) Fällen konnte zwar eine zweckfremde Nutzung festgestellt werden, für diese gilt jedoch ein gesetzlicher Bestandsschutz. In 75 (2016: 37, 2017: 38) Fällen handelte es sich nicht um Wohnraum im Sinne des ZwVbG (z.B. Gewerberäume). Es wurden somit 1.464 zweckentfremdete Wohnungen festgestellt. Davon waren 1.055 (2016: 738, 2017: 317) Ferienwohnungen und 316 (2016: 88, 2017: 228) leerstehende Wohnungen. Die übrigen Wohnungen verteilen sich auf verschiedene Nutzungen (z.B. Arztpraxen, Physiotherapiepraxen, Rechtsanwaltskanzleien, Büronutzungen, Handwerksbetriebe, Galerien).

 

Zu Frage 2:

Bei wie vielen von den festgestellten Objekten konnte die Zweckentfremdung
eingestellt werden, bzw. bei wie vielen wurde eine Übergangsfrist für wie lange
gewährt?

Antwort:

Von den zu Frage 1 genannten Zweckentfremdungen konnten bislang insgesamt 721 (2016:
524, 2017: 197) Wohnungen in den Wohnungsmarkt zurückgeführt werden. Die übrigen
Verfahren sind noch anhängig. Eine „Übergangsfrist“ o.ä. gibt es nicht.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am 06.04.2017 in mehreren
Berufungsverfahren entschieden, die Frage der Rückwirkung des Verbots dem
Bundesverfassungsgericht vorzulegen, da es darin eine Verfassungswidrigkeit sieht. Das
Verwaltungsgericht Berlin ist daher bei den Fällen, in denen die zweckfremde Nutzung
bereits vor dem Inkrafttreten des Verbots am 01.05.2014 erfolgte, dazu übergegangen, diese
Klageverfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen. Das
Verwaltungsgericht wird in diesen Fällen derzeit keine Entscheidungen treffen, so dass bis
zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Möglichkeit besteht, diese
Verfahren, die einen erheblichen Anteil an den bekannten Zweckentfremdungen ausmachen,
abzuschließen, wenn der Betroffene gegen die Entscheidung der
Zweckentfremdungsbehörde eine Klage einlegt.

 

Zu Frage 3:
Wurden vom Bezirksamt wegen Verstoßes des Zweckentfremdungsgesetzes
Sanktionen verhängt, wenn ja, wie oft und hoch im Einzelnen?

Antwort:
Sanktionen im gesetzlichen Sinne stellen nur Bußgelder dar, die im Rahmen eines
Ordnungswidrigkeitsverfahrens verhängt werden. Es wurden in 83 Verfahren
Bußgeldbescheide erlassen. Insgesamt wurden Bußgelder in Höhe von 173.004,00 EUR
verhängt. Eine einzelne Aufstellung wäre mit einem unverhältnismäßigen Aufwand
verbunden.

 

Zu Frage 4:
Wie viele Wohnungen wurden bei der Zweckentfremdung „Ferienwohnung“ und
„Leerstand“, dem normalen Wohnungsmarkt wieder zugeführt, und wie viele nicht?

Antwort:

Es konnten seit dem Inkrafttreten des Verbots 680 Ferienwohnungen sowie 171 zuvor
leerstehende Wohnungen wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt werden.
Die Frage, wie viele Wohnungen nicht zurückgeführt werden konnten, kann so nicht
beantwortet werden. Sofern eine zweckfremde Nutzung festgestellt wurde, wird das
Verfahren mit dem Ziel der Rückführung der Wohnung in den Wohnungsmarkt betrieben.
Das Verfahren wird erst abgeschlossen, wenn eine Rückführung erfolgt ist.

 

Zu Frage 5:

Wie viele Wohnungen wurden bei der Zweckentfremdung „Ferienwohnung“ und
„Leerstand“, dann möbliert weiter vermietet, und sieht das Bezirksamt in solchen
Fällen weiteren Handlungsbedarf?

Antwort:

Das Ziel des ZwVbG ist es, zweckentfremdeten Wohnraum wieder in den Wohnungsmarkt
zum dauerhaften Wohnen zurückzuführen. Wenn die Wohnung wieder dem Wohnungsmarkt
zum Dauerwohnen zugeführt wurde, ist es unerheblich, ob die Wohnung möbliert oder
unmöbliert vermietet wird. Eine Wohnung darf möbliert vermietet werden. Entscheidend ist,
dass es sich nicht um eine Kurzzeitvermietung handelt, denn diese stellt kein Wohnen im
Sinne des ZwVbG dar.

 

Zu Frage 6:

Wie viele Wohnungen wurden bei der Zweckentfremdung „Ferienwohnung“ und
„Leerstand“ dann als Eigentumswohnung verkauft?

Antwort:

Darüber liegen dem Bezirksamt keine Daten vor.

 

Zu Frage 7:


Wie häufig, und wie werden die Kontrollen bei Verdacht auf Zweckentfremdung von
Wohnraum durchgeführt?

Antwort:

Die Begrifflichkeit „Kontrolle“ wird dahingehend verstanden, dass Ortsbesichtigungen
vorgenommen werden. Ortsbesichtigungen erfolgen regelmäßig in den Fällen, in denen sich
aus den sonstigen Recherchemöglichkeiten (z.B. Internet) keine ausreichenden
Erkenntnisse ergeben.
Ortsbesichtigungen werden in der Regel ohne Ankündigung und immer durch zwei
Mitarbeiter_Innen der Zweckentfremdungsstelle durchgeführt. Sofern keine Erkenntnisse
gewonnen werden können, weil beispielsweise weder in der betreffenden Wohnung noch in
der Nachbarschaft jemand anzutreffen ist, erfolgt in der Regel eine erneute Ortsbesichtigung
an einem anderen Tag zu einer anderen Tageszeit.
In Einzelfällen werden Wohnungsbesichtigungen nach vorheriger Terminabsprache
durchgeführt. Die Vermieter der Wohnungen haben nach § 5 Abs. 5 ZwVbG den
Mitarbeiter_Innen der Zweckentfremdungsstelle zu angemessener Tageszeit zu gestatten,
die Wohnung zu betreten. Sofern dies für die Beurteilung einer Zweckentfremdung
erforderlich ist, wird das ggf. auch im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt. Im
Rahmen der Ortsbesichtigung wird die betreffende Wohnung kontrolliert und ggf. werden
auch Nachbarn befragt. Erkenntnisse werden schriftlich festgehalten und durch Fotos
dokumentiert.

 

Zu Frage 8:

Wie häufig gibt es Kontrollen der betroffenen Vermieter_innen, nach der Verbots-
Mitteilung an sie, zur Unterlassung von Zweckentfremdung?

Antwort:

Wenn eine Rückführungsanordnung in den Wohnungsmarkt ergangen ist, wird regelmäßig
geprüft, ob dieser auch nachgekommen wird. Sofern der Vermieter mitteilt, dass er die
Wohnung einer dauerhaften Nutzung zugeführt hat, muss er dies durch entsprechende
Unterlagen nachweisen (z.B. Dauermietvertrag). Eine „Nachkontrolle“ erfolgt dann nur noch
in den Fällen, in denen Restzweifel darüber verbleiben, ob die Wohnung tatsächlich
dauerhaft zweckentsprechend genutzt wird. In vielen Fällen hat die Zweckentfremdungsstelle
auch Kontakt zu Hinweisgebern aus der Nachbarschaft, die die tatsächlichen Verhältnisse
vor Ort täglich erfahren und ggf. der Zweckentfremdungsstelle darüber berichten.

Mit freundlichen Grüßen
Christiane Heiß