Offenlegung der Genehmigungsgründe für die Bebauung des Hinterhofs Wielandstraße 17

Kleine Anfrage, BV Dr. Christine Scherzinger (LINKE)

1. In der mündliche Anfrage der BV Wissel vom 19.07.2017 wurde mitgeteilt, die Baugenehmigung für das Bauvorhaben im Hinterhof Wielandstraße 17 sei auf Grundlage von § 64 BauO Berlin (alte Fassung) im Zusammenhang mit § 31 (2) BauGB erteilt wurde.

a) Welche alte Fassung der BauO ist gemeint, und warum wurde die Baugenehmigung auf Grundlage einer alten Bauordnung erteilt?

b) Aufgrund welcher Befreiungstatbestände des § 31 (2) BauGB wurde die Baugenehmigung erteilt, und wie wurde dies von der Verwaltung begründet?

c)Wie wurde insbesondere entspr. § 31 (2) BauGB nachgewiesen, dass die Grundzüge der Planung in diesem Fall nicht berührt werden?

 

Zu 1a.:

Die Baugenehmigung wurde erteilt aufgrund der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Bauordnung in der Fassung des zweiten Gesetzes zur Änderung der Bauordnung für Berlin vom 29.11.2011.

In der mündlichen Anfrage wurde der Hinweis auf diese Genehmigungsgrundlage des § 64 a.F. gegeben, da am 1.1.2017 das dritte Gesetz zur Änderung der Bauordnung vom 17.6.2016 in Kraft getreten war. Mit diesem Gesetz wurde u.a. auch die Nummerierung der bauaufsichtlichen Verfahren neu gefasst. So wurde –im Wesentlichen inhaltsgleich- das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren, das in der alten Fassung im § 64 beschrieben war, nunmehr zum § 63. Das Verfahren für Sonderbauten (ehem. § 65) wurde  im § 64 definiert. Daher wurde in der Beantwortung der in der Kleinen Anfrage genannten mündlichen Anfrage zur Vermeidung von Missverständnissen auf diesen Umstand hingewiesen. Die Fortführung des Verfahrens nach den zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Vorschriften entsprach der im dritten Änderungsgesetz vorgesehenen Übergangsvorschrift (Art. 1 Nr. 78).

Die planungsrechtliche Beurteilung erfolgte auf folgend beschriebener Rechtsgrundlage. Das Grundstück Wielandstraße 17 wird gemäß Baunutzungsplan in Verbindung mit den planungsrechtlichen Vorschriften der BauO Bln 1958 als allgemeines Wohngebiet der Baustufe IV/3 (4 Vollgeschosse, GRZ: 0,3, GFZ: 1,2) ausgewiesen. Es gilt die geschlossene Bauweise mit einer Bebauungstiefe von 13m ab der f.f. Baufluchtlinie.

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Baunutzungsplans in der Fassung vom 28.12.1960 (Abl. 1961 S. 742), der in Verbindung mit den städtebaulichen Vorschriften der Bauordnung für Berlin in der Fassung vom 21. November 1958 -BauO Berlin 1958- (GVBl. S. 1087, 1104) und den förmlich festgestellten (f.f.) Straßen- und Baufluchtlinien als qualifizierter Bebauungsplan - gemäß §173 BBauG (Überleitung bestehender Pläne) - im Sinne des § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) gilt.

Für das Grundstück gilt weiterhin der Bebauungsplan XIII- A vom 9.7.1971 (GVBl. 5.8.1971 S. 1234). Für die Berechnung des Maßes der baulichen Nutzung, für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksflächen und für die Zulässigkeit von Stellplätzen und Garagen sind die entsprechenden Vorschriften der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 26.11.1968 maßgebend.

 

2. Es wurde ebenfalls mitgeteilt es solle maßvoll nachverdichtet werden, und dass das Maß der baulichen Nutzung in der GRZ von 0,17 auf 0,32 und in der GFZ von 0,99 auf 1,70 ansteigen würde. Das Bauvorhaben überschreitet damit die gem. BauNPl zulässigen Grenzen GRZ 0,3 und GFZ 1,2. Warum konnten die planungsrechtlichen Vorgaben in diesem Fall nicht eingehalten werden, und wie begründen Sie insbesondere die Überschreitung der GFZ um mehr als 40%?

Die Befreiungen sind gemäß § 31 Abs. 2 BauGB städtebaulich vertretbar. Das geplante Vorhaben fügt sich in den städtebaulichen Kontext ein. Der geplante Neubau im Innenhof wird an das grenzständig errichtete Nachbargebäude Fregestraße 73 angebaut. Er bleibt mit Ausnahme der Balkone innerhalb der Kubatur des Nachbargebäudes und deckt dessen Giebelbrandwand ab. Mit der geplanten Giebelbebauung der Brandwand des Nachbargrundstücks Fregestraße 73 wird die ortstypische Bebauungsstruktur im Blockinnenbereich aufgenommen und der Bestand rücksichtsvoll ergänzt. Die Überschreitung der Nutzungsmaße ist im städtebaulichen Gesamtzusammenhang als gering anzusehen und stellt die städtebauliche Konzeption in ihrem grundsätzlichen Charakter nicht in Frage. Anhand einer Verschattungsstudie wird nachgewiesen, dass der geplante Neubau zu keinen unzumutbaren Verschattungen der Nachbargebäude führt. Durch seine Maßstäblichkeit und die Abstaffelung des obersten Geschosses erfüllt der geplante Neubau die städtebaulichen Voraussetzungen bzw. Kriterien, die im Hinblick auf die erforderliche und angemessene Berücksichtigung des Orts- und Straßenbildes zu stellen sind.

Im städtebaulichen Kontext sind eine GRZ von 0,32 und eine GFZ von 1,7 als niedrig anzusehen. Die Altbauten in der Nachbarschaft liegen in der Regel bei einer GFZ 2,4 bis 2,6. Bei Dachausbauten in Friedenau wird bis zu einer GFZ von max. 3,0 befreit. Die zulässige GRZ von 0,3 ist im Altbestand meistens deutlich überschritten.

 

3. In der Antwort wurde versichert, in dem Bauantragsverfahren seien die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt worden, jedoch gelang es der Verwaltung beim Vor-Ort-Termin am 22.09.2017 nicht, die anwesenden NachbarInnen von der ebenfalls in o.g. Antwort behaupteten wesentlichen Verbesserung der Innenhofqualität zu überzeugen.

a) Welche Interessen von wem wurden konkret berücksichtigt, und welche Abwägungen führten zu Ihrer Entscheidung zugunsten des Bauvorhabens?

b) Für die BewohnerInnen welcher Gebäude oder Gebäudeteile werden sich konkret welche Aspekte der Innenhofqualität durch das geplante Bauvorhaben verbessern?

 

3a) Nachbaranhörung

Nach einer eingehenden Würdigung der vorgebrachten Argumente konnte den Einwänden nicht gefolgt werden.

  • Ein Großteil der Einwände betrifft keine nachbarschützenden Belange (u.a. Befreiungen vom zulässigen Nutzungsmaß, Überschreitung der Bebauungstiefe, freie Sicht etc.).
  • Hinsichtlich der seitlichen Abstandflächen liegt keine Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift vor, da das Gartenhaus Fregestraße 73 selbst in geschlossener Bauweise errichtet wurde, und daher die beidseitigen Abweichungen gleichgewichtig sind.
  • Eine Verschattungsstudie weist nach, dass es durch den geplanten Neubau nur zu sehr geringen Beeinträchtigungen der Nachbarbebauung kommt, die für eine innerstädtische Bebauung als zumutbar anzusehen sind.

3b) Ausgleichsmaßnahmen

Gegen die Überschreitung der zulässigen GFZ, GRZ und der Zahl der Vollgeschosse bestehen keine städtebaulichen / planungsrechtlichen Bedenken, da der Bauherr sich in Hinblick auf die hierfür erforderlichen Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB verpflichtet hat, geeignete Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. Diese Ausgleichsmaßnahmen kommen den Anwohnern zu Gute.

Folgende Ausgleichmaßnahmen sind geplant:

  • Neugestaltung des Vorgartens des Vorderhauses zur Erhöhung und Aufwertung des Grünanteils
  • Neugestaltung und Begrünung der Freifläche hinter dem Vorderhaus und Anlage einer Aufenthaltsfläche für die Bewohner mit Tisch und Sitzgelegenheiten
  • Hochwertige Begrünung mit höhenmäßiger Staffelung der Pflanzbereiche 
  • Weitestgehende Entsiegelung des Grundstücks und Verwendung von versickerungsfähigem Bodenbelag für Wege, Tiefgaragenzufahrt und Feuerwehraufstellflächen
  • Extensive Begrünung einer ca. 155 m² großen Flachdachfläche des beantragten Neubaus und der Überdachung der Tiefgaragenrampe
  • Abdeckung der Tiefgaragendecke mit einer 60 bis 80 cm starken Substratschicht zur Anlage einer intensiven Begrünung 
  • Vollflächige Begrünung der Außenverkleidung der Tiefgaragenabfahrt mit Rankgewächsen
  • Errichtung eines Spielplatzes.

Außerdem bleibt durch den Anbau an das Gartenhaus Fregestraße 73 eine zusammenhängende Freifläche erhalten. Die vorhandenen Garagen und oberirdischen PKW-Stellplätze werden durch eine deutlich geringere Anzahl von Stellplätzen in der geplanten Tiefgarage ersetzt; durch die daraus resultierende geringere Verkehrsfrequenz sinken im Blockinnenbereich Abgas- und Lärmemissionen.

 

4. Auf die Anfrage der BV Wissel wurde erklärt, es handele sich bei dem Innenhof auf dem Grundstück Wielandstraße 17 um eine überwiegend versiegelte Fläche, und nicht um einen begrünten Innenhof.

a) Wieviel Quadratmeter/Prozent der Gesamtfläche dieses Innenhofs sind heute versiegelt und wieviel begrünt, und welcher Anteil dieser versiegelten Fläche ist mit einer wassergebundenen, versickerungsfähigen Versiegelung versehen, und welcher ist vollständig versiegelt?

b) Wie groß ist die Fläche, deren Bebauung geplant ist?

c) Wie wird das Verhältnis in Quadratmeter/Prozent der Gesamtfläche des Innenhofs nach Fertigstellung des Bauvorhabens hinsichtlich versiegelter und begrünter Fläche aussehen?

d) Welcher Anteil der dann versiegelten Fläche wird mit einer wassergebundenen, versickerungsfähigen Versiegelung versehen, und welcher Anteil wird vollständig versiegelt sein?

e) Wurde der Beitrag der notwendigen Ver- und Entsorgung des geplanten Gebäudes (z.B. Wasser/Abwasser, Strom, Fernwärme), sowie der Tiefgarage zur Versiegelung des Bodens bei der Ermittlung der Flächenverhältnisse berücksichtigt?

Die folgenden Angaben beziehen sich auf die dem Bauvorhaben zu Grunde liegenden Flächenermittlungen des Architekturbüros:

4a):  Versiegelung Bestand

Vorderhaus 318,27 m²

Garagen 233,21 m²

Pflasterfläche 487,18 m²

Rasensteine 154,38 m²

Gesamt 1193,04 m² (Versiegelung Bestand 64,87 % der Grundstücksfläche)

 

Davon

Vollständig versiegelte Fläche 1038,66 m²

Versickerungsfähige Fläche (Rasensteine) 154,38 m²

4b und 4c): 

Versiegelung Neu

Vorderhaus 318,27 m²

Neubau 317,22 m²

Tiefgarage 271,98 m²

TG Abfahrt 71,11 m²

TG Treppe 13,39 m²

Lichtschächte 16,68 m²

wassergebundener Weg und

Aussensitzfläche 84,59 m²

Pflasterfläche180,65 m²

Gesamt1273,89 m² (Versiegelung Neu  69,27 % der Grundstücksfläche)

 

Davon

Vollständig versiegelte Fläche: 581,01 m²

Versickerungsfähige Fläche:

Extensive Begrünung

TG Rampe und Dach Neubau 155,65 m²

Intensive Begrünung

bzw. wassergebundene Flächen

über TG-Decke (Aufbau über 60cm) 271,98 m²

Pflasterfläche als Drainpflaster 180,65 m²

wassergebundener Weg und

Aussensitzfläche 84,59 m²

Gesamt 692,87 m²

4d) Anteil Versorgungsleitungen / Tiefgarage

Da noch keine Haustechnikplanung vorliegt kann der Anteil der Versorgungsleitung noch nicht ermittelt werden Die Tiefgarage wurde berücksichtigt.

 

Zusammenfassung 4a - 4d):

Die Versiegelung des Grundstücks bei der Neuplanung, unabhängig davon, ob wasserdurchlässig oder nicht, ist nur um 4,4% höher als zum Bestand:

Versiegelung Bestand: 64,87 % der Grundstücksfläche

Versiegelung Neu: 69,27 % der Grundstücksfläche

 

Der Anteil der versickerungsfähigen Flächen bei der Neuplanung liegt im Vergleich zum Bestand dabei jedoch weitaus höher:

Versiegelte Fläche Bestand: 1193,04 m²

Davon Versickerungsfähige Fläche: 154,38 m²

Versiegelte Fläche Neuplanung : 1273,89 m²

Davon Versickerungsfähige Fläche: 692,87 m²

Ein Teil der versickerungsfähigen Fläche der Neuplanung ist u.a. die intensive Dachbegrünung auf der Tiefgarage mit einem Aufbau von 60cm. Hier soll eine gestalterisch hochwertige Bepflanzung realisiert werden.