Auswirkungen von Energiearmut für Menschen im Bezirk

Große Anfrage, Drucks. Nr: 0297/XXI , Bezirksverordneter Martin Rutsch (Fraktion DIE LINKE)

1.) Wie schätzt das Bezirksamt die Auswirkungen ein, die Menschen in TempelhofSchöneberg angesichts stark steigender Lebenshaltungskosten, insbesondere bei Energie, in der kommenden Zeit haben werden?

Zu 1.) Das Bezirksamt betrachtet mit Sorge, dass sich die Inflation und vor allem die drastischen Preisanpassungen bei Strom und Gas auf alle Bürgerinnen und Bürger des Bezirkes auswirken werden. Insbesondere Menschen mit geringen Einkommen, aber auch Familien und Rentner, stellt der sich abzeichnende weitere Anstieg der Lebenshaltungskosten vor zusätzliche Herausforderungen. Es wird davon ausgegangen, dass bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Alter und Sozialhilfe für Erwerbsunfähige in naher Zukunft erhebliche Anpassungen erfolgen werden.

Dies betrifft zum einen die Vorauszahlungen für Haushaltsenergie, zum anderen die zu erwartenden Nachzahlungsforderungen der Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der Jahresabrechnungen. Für die betroffenen Menschen, die sich im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes befinden, wird sich hinsichtlich der Leistungsgewährung bezüglich der Heizkosten allerdings wenig ändern. Die Abrechnungen mit den Nachzahlungsbeträgen und die angepassten Vorauszahlungen werden dem Amt für Soziales bzw. dem Jobcenter vorgelegt und bedarfsseitig Berücksichtigung finden.

Derzeit noch nicht absehbar ist, in welchem Maße die Zahl der Anträge auf Übernahme von Miet- bzw. Energierückständen von denen ansteigen wird, die derzeit mit ihren Einkommen knapp über der Bedürftigkeitsgrenze liegen.

2.) Inwiefern versucht das Bezirksamt sicherzustellen, dass Vermieter Mieterinnen und Mieter frühzeitig über steigende Energiekosten informieren?

Zu 2.) Ich danke der Organisationseinheit Sozialraumorientierten Planungskoordination (SPK) für ihre Zuarbeit und beantworte die zweite Frage wie folgt: Zur Beratung von Mieterinnen und Mietern im Bezirk hat das Bezirksamt die Träger AG SPAS e.V. und gesoplan gGmbH bis Ende 2023 für die soziale und zivilrechtliche Mieterberatung beauftragt. Mit Vermietern besteht im Einzelfall und bei Bedarf Kontakt, wenn z.B. bei der Kommunikation unterstützt werden muss. Informationen zu Energiekosten sind Teil des Beratungsangebots. Die Träger gehen aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage davon aus, dass der Beratungsbedarf zum Thema Energiekosten im Laufe des Jahres massiv steigen wird. Die Mieterberatung stärkt die Ratsuchenden bereits heute, indem sie beispielsweise zum Übernahmeanspruch auf Heizkosten- und Betriebskostenjahresabrechnungen berät.

3.) Welche Impulse gehen von der Landes- und Bundesebene aus, damit auf bezirklicher Ebene Menschen wirkungsvoller und effizienter in den nun zunehmenden Notlagen unterstützt werden können?

Zu 3.) Die steigenden Energiekosten und ihre Folgen für die Bevölkerung werden auch auf der Landes- und Bundesebene intensiv diskutiert, dort existieren auch die erforderlichen Handlungsoptionen. Das Bezirksamt verfolgt diese Debatten mit größter Aufmerksamkeit. Im Fokus steht bisher die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch neue Hilfspakete. Ein erster Aufschlag ist der sogenannte Heizkostenzuschuss, eine Einmalzahlung für Wohngeld- und BAföG-Empfänger.

Für Haushalte, denen Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz bewilligt wurde und bei denen mindestens ein Monat des Bewilligungszeitraums zwischen dem 01.10.2021 und dem 31.03.2022 liegt, wurde dieser mit der Wohngeldzahlung für den Monat August ausgezahlt. Der Zuschuss ist nach Haushaltsgröße gestaffelt, sodass ein Ein-Personen-Haushalt 270,00 EUR erhält, ein Zwei-Personen-Haushalt 350,00 EUR und für jede weitere Person im Wohngeldhaushalt werden zusätzlich 70,00 EUR gezahlt. Wie die Menschen im Hinblick auf die hohe Inflationsrate und hinsichtlich der extrem steigenden Energiekosten weitergehend finanziell entlastet werden können, ist bisher Gegenstand koalitionsinterner Verhandlungen auf Bundes- und auch auf Landesebene. Details hierzu sind dem Bezirksamt nicht bekannt.

Der Forderung des Deutschen Städtetags nach raschen Antworten schließe ich mich aber sehr gern an. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) hat zum 05.10.2022 erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder zu einem analogen Treffen des Arbeitskreises Wohnen in den BVV-Saal im Rathaus Schöneberg eingeladen. Im AK Wohnen treffen sich unter Leitung des zuständigen Fachreferats der SenIAS Vertreter der Ämter für Soziales und der Jobcenter, um Fragen rund um die Themen Wohnen, Kosten der Unterkunft und Leistungsgewährung zu besprechen. Hierbei wurde in Aussicht gestellt, konkrete Informationen zu den anstehenden Entwicklungen bei den Energiepreisen und deren Auswirkungen auf die Leistungsgewährung sowie im Hinblick auf das geplante Bürgergeld geben zu können.

4.) Über welche Instrumente verfügt das Bezirksamt bereits jetzt, um aus eigener Kraft Menschen in den jetzt sich verschärfenden Notlagen der Energiearmut möglichst niedrigschwellig zu unterstützen?

Zu 4.) Die sozialleistungsrechtlichen Möglichkeiten für die Begleichung von Energiekostennachzahlungen bzw. zur Übernahme von Miet- und Energierückständen sind für Leistungsbeziehende nach den Sozialgesetzbüchern II und XII bereits jetzt gegeben. Für diese Personengruppe wird sich bezüglich der Energiekosten wenig ändern. Die Betroffenen müssen allerdings den Kontakt zu ihren jeweiligen Leistungsstellen oder zur Fachstelle Soziale Wohnhilfe aufnehmen und Anträge stellen sowie Unterlagen einreichen.

Bei frühzeitiger Kontaktaufnahme und Mitwirkung der Betroffenen lassen sich Notlagen in den allermeisten Fällen verhindern. Darüber hinaus wird auf die bereits in der Antwort zu Frage 2. vorgestellten Angebote der Mieterberatung, die Unabhängige Soziale Beratung Tempelhof-Schöneberg, die seniorenspezifische Beratung des Fachbereichs Soziale Dienste sowie die Schuldnerberatung verwiesen. Diese beraten selbstverständlich auch zu Energiekosten.

5.) Welche Möglichkeiten nutzt das Bezirksamt, um die Bürgerinnen und Bürger auf eine Antragsstellung auf SGB II und SGB XII zur Unterdeckung im Monat des Erhalts der Betriebsund Heizkostenabrechnungen hinzuweisen?

Zu 5.) Das Bezirksamt geht davon aus, dass das Thema schon jetzt gesellschaftlich umfangreich diskutiert wird. Dementsprechend sind Informationen zu bereits bestehenden sozialleistungsrechtlichen Angeboten und in Kürze zu erwartenden Unterstützungen Teil der Debatte. Insofern werden die betroffenen Behörden vor allem über Presse, Funk und Fernsehen sowie auf den jeweiligen Internetseiten hierüber informieren. Im Rahmen der Beratungsangebote des Bezirksamts — siehe Antworten zu den Fragen 2. und 4. — wird selbstverständlich auch über die sozialrechtlichen Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger sowie staatliche Leistungsangebote informiert.

6.) Wird das Bezirksamt zusätzliche, über die bisherigen Angebote (z. B. Tafeln) hinausgehende Möglichkeiten schaffen, um Menschen im Bezirk besonders in den kommenden Monaten zu unterstützen?

Zu 6.) Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die in der Fragestellung als Beispiel benannten Tafeln oder aber Laib und Seele keine Angebote der Bezirke für bedürftige Menschen darstellen. Bekanntermaßen handelt es sich bei den Tafeln um Initiativen, die durch ehrenamtliches Engagement gegründet und betrieben werden. Bevor darüber diskutiert werden kann, welche Möglichkeiten die Bezirke haben, um die Menschen in der erwartbar schwierigen Situation zu unterstützen, muss aus Sicht des Bezirksamts erst einmal geklärt sein, welche gesetzlichen Unterstützungsleistungen Bund und Land beschließen und durch die Bezirke umzusetzen sind.

Aktuell verfügen die Bezirke nicht über die finanziellen Mittel, um den Bürgerinnen und Bürgern in nennenswertem Umfang zusätzliche materielle Unterstützung aus eigenen Mitteln zur Verfügung stellen zu können. In Tempelhof-Schöneberg richten sich die Überlegungen daher vor allem darauf, bestehende Angebote durch neue Konzepte zu erweitern. Eine wichtige Rolle spielen hier Kultureinrichtungen wie Bibliotheken und Museen, aber auch Freizeiteinrichtungen wie Seniorenfreizeitstätten, Familienzentren oder ggf. Jugendfreizeitstätten.

 

Dateien