Rede in der BVV zum Einwohner:innenantrag Sangerhauser Weg
Vielen dank Herr Vorsteher, guten Abend zusammen,
Das Asylrecht in Deutschland ist eine unmittelbare Lehre aus den Verbrechen des Naziregimes und dem millionenfachen Versagen, verfolgten Menschen Schutz zu gewähren. Während des Holocausts fanden viele jüdische Menschen, politische Gegner:innen des Naziregimes und andere Verfolgte keine Zuflucht, weil Staaten sie abwiesen oder ihnen das Asyl verweigerten. Hier im Rathaus zeugt die Ausstellung "Wir waren Nachbarn" von Schicksalen von Menschen die keine Zuflucht gefunden haben und deswegen ermordet wurden. Menschen, deren Enkel und Urenkel heute noch fehlen, als Freund:innen, als Koleg:innen, als Menschen. Aus dieser Geschichte heraus wurde das Recht auf Asyl als Grundrecht in unserem Grundgesetz verankert.
Sie sagen als Anwohner:innen-Initiative, Sie sagen in Ihrer Rede Sie verwehren sich dagegen, dass Ihnen vorgeworfen wird, dass Sie von Nazis instrumentalisiert werden, aber dann würde ich mir auch wünschen dass Sie sich auf Facebook von den rassistischen und menschenfeindlichen Kommentaren zu Ihren Beiträgen distanzieren.
Angesichts der vielfältigen Krisen und Kriege in der Welt, von kriegerischen Konflikten über wirtschaftliche Instabilität, Hunger, die Folgen des Klimawandels bis hin zu repressiven politischen Regimen, sind immer mehr Menschen gezwungen zu flüchten. Deutschland und Europa nimmt trotz einer massiv überalterten Gesellschaft kaum Geflüchtete auf. Doch alle, die hier ankommen haben ein Recht auf menschenwürdige Lebensbedingungen. Die sind aktuell nicht gegeben.
Die Zustände der Unterbringung in Tegel sind eine absolute Katastrophe! Statt Schutz und Perspektive erleben dort viele Geflüchtete, Frauen, Kinder und Familien über Monate hinweg schreckliche Zustände: fehlende Privatsphäre für die Menschen die dort unterkommen müssen, mangelhafte Hygiene, oft keine Gesundheitsversorgung und diskriminierendes Verhalten durch Sicherheitspersonal. Gleichzeitig ist Tegel trotz katastrophaler Zustände laut Tagesspiegel die teuerste Unterkunft. Fragwürdige private Unternehmen profitieren und bereichern sich an dem Leid. Die politische Entscheidung, bei Ausschreibungen den Preis über die Qualität zu stellen, verschärft diese Missstände. Tegel ist damit Symbol für eine verfehlte Wohnungspolitik, die auf Sparzwang und Privatisierung setzt, statt menschenwürdige Lösungen zu schaffen.
Als Linke stehen fordern wir eigentlich statt Massenunterkünften dass geflüchtete und wohnungslose Menschen schnellstmöglich in eigenen Wohnungen leben können. Das ist Menschenrecht und Voraussetzung für Teilhabe. Dazu ist in Berlin auch genügend Potential, die Umnutzung leerstehender Ferienwohnungen, Hotels und Büroflächen, eine Ausweitung des Wohnberechtigungsscheins, feste Vermietungsquoten bei landeseigenen Wohnungsunternehmen, den Ausbau von Modellprojekten wie „Wohnen statt MUF“ und die Einrichtung eines Solidarfonds für Genossenschaftswohnungen.
Echte Integration funktioniert nur durch Wohnraum in gewachsenen Kiezen, begleitet durch soziale Infrastruktur und Beratung. Und eine bessere Infrastruktur kommt nicht nur Geflüchteten, sondern allen Menschen in Berlin zugute. Und das gilt auch für den Sangerhauser Weg. Es ist dringend an der Zeit, dass die Anbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr verbessert wird. Die Busse sind an der Stelle privatisiert worden und fahren oft unregelmäßig oder gar nicht. Es braucht doch eine verlässliche Anbindung durch die Öffentlichen!
Auch sind in der ganzen Stadt viele Grundschulen und Kitas schlecht ausgestattet und brauchen genug Personal, das nicht völlig überlastet ist, hier müssen wir die Gelegenheit nutzen und endlich angemessen in gute Bildung, Schulen, Kitas und Familienzentren investieren. Was es auch braucht, sind Orte der Begegnung, Familien und Nachbarschaftsräume. Und vielleicht kann es auch noch für die umliegenden Kleingärten ein Gewinn sein, wenn jetzt Abwasseranschlüsse gelegt werden, gibt es vielleicht auch die Möglichkeit für die Kleingärten, Abwasserleitungen bereitzustellen.
Wir müssen uns also weiter verständigen, wie wir als Stadtgesellschaft zusammenleben und Menschen Schutz bieten wollen. Dafür hoffe ich auch, dass der Antrag der Grünen, den wir unterstützen auf eine Veranstaltung in dem Sinne angenommen und schnellstmöglich umgesetzt wird. Am Sangerhauser Weg und anderswo brauchen wir menschenwürdige Unterbringung, echte Teilhabe und Investitionen in soziale Infrastruktur.
An die Anwohnenden, die sich mit einem Antrag an das Bezirksparlament gewendet haben: Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und Ihre Sorge um die Entwicklung im Kiez. Wir sind uns, denke ich, einig, dass mehr bezahlbare Wohnungen geschaffen werden müssen und dass die Infrastruktur vor Ort in Tempelhof und Mariendorf verbessert werden muss. Auch wenn wir heute Ihrem Antrag aus den genannten Gründen nicht zustimmen können, lassen Sie uns im Gespräch bleiben und gemeinsam nach Lösungen suchen, die Solidarität, soziale Verantwortung und gute Lebensbedingungen für alle miteinander verbinden. Vielen Dank.
