Zukünftige Spekulationsmasse oder Gewinn für den Bezirk? Auswirkungen der konzeptionellen Änderungen im Rahmen des Bauantragsverfahrens Friedenauer Höhe /Güterbahnhof Wilmersdorf

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Kleine Anfrage, Dr. Christine Scherzinger (LINKE)

Kleine Anfrage gemäß § 39 GO BVV, lfd. Nr. 0364/XX

des Bezirksverordneten Dr. Scherzinger

 

Zukünftige Spekulationsmasse oder Gewinn für den Bezirk?

Auswirkungen der konzeptionellen Änderungen im Rahmen des Bauantragsverfahrens Friedenauer Höhe /Güterbahnhof Wilmersdorf

 

Sehr geehrter Herr Böltes,

die o.g. Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

1. Wie viele Wohnungen entstehen nach jetzigem Kenntnisstand des Bezirksamts bei der Friedenauer Höhe (Anzahl der Wohnungen/ Größe/ Lage unterteilt in geförderte Wohnungen nach der Kooperativen Baulandentwicklung und restlichen Wohnungen)?

In den Wohngebieten WA1, WA2, WA3, WA4, WA5 und WA6 sind nach derzeitiger Antragslage auf der Friedenauer Höhe 1371 Wohnungen geplant. Die dazu gehörigen Wohnungsschlüssel sind der Anlage zu entnehmen. Für die kleineren Wohngebiete WA7 und WA8 liegen noch keine Angaben vor

 

2. Bleibt es dabei, dass „235 geförderte Wohneinheiten (mit einer durchschnittlichen Größe von 53,33 qm netto Wohnfläche), 85 Kita-Plätze und 102 Grundschulplätze errichtet werden sollen“? (vgl. B-Plan 7-68 / Güterbahnhof Wilmersdorf, Stand 14.03.2016 Begründung zur Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 BauGB, Seite 1090) Oder handelt es sich bei dem geförderten Wohnraum nach der Kooperativen Baulandentwicklung des Jahres 2015 (25% der Wohnungen) ebenfalls um Mikrowohnungen (Größe bis zu 30 m²)?

Es entstehen 236 geförderte Wohneinheiten mit einer durchschnittlichen Größe von 64 m².               Es entstehen 85 Kita-Plätze auf einer Geschossfläche von 1050 m² (…statt der im städtebaulichen Vertrag geforderten 850 m²) mit einer Außenspielfläche von 729 m² (…anstelle der vertraglich vereinbarten 680 m²).

Es wurde für die Grundschulerweiterung entsprechend § 8 (4) des städtebaulichen Vertrages eine Bürgschaft in Höhe von 3.774.000.-€ hinterlegt. Mikro-Apartments entstehen im geförderten Wohnungsbau nicht, alle Wohnungen sind wesentlich größer als 30 m².

 

3. Bleiben die geförderten Wohnungen nach Ablauf der Belegungsbindungen weiterhin in der Hand der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE?

Das Bezirksamt hat aktuell keine Kenntnis darüber, ob die HOWOGE die geförderten Wohnungen nach Ablauf der Belegungsbindung in 30 Jahren veräußern wird. Da es sich bei der HOWOGE jedoch um ein Landesunternehmen handelt, müsste jeder Verkauf oder Änderung in der Wohnungsbindung durch das Land Berlin beschlossen werden.

 

4. Inwieweit müssen bei Bekanntgabe der realen Grundrisse die Planungsannahmen für soziale Infrastruktur als Folgeeinrichtungen im städtebaulichen Vertrag nochmals überprüft werden, da 2016 von Mehrfamilienhäusern als dominante Bauform mit einer Wohnungsgröße von 100 m² mit einer durchschnittlichen Wohnungsbelegung von 2 Bewohner_innen (lt. B-Plan 7-68, s.o, / sogenannter Umrechnungsschlüssel der Verwaltung) ausgegangen war?

Die Projektträgerin hat sich anlässlich und auf Grundlage des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung damit einverstanden erklärt, das Vorhaben nach den einheitlichen Maßgaben dieser Leitlinie durchzuführen. Das Land Berlin ermittelt anhand eines standardisierten und festgelegten Berechnungsverfahrens, den zusätzlichen Bedarf an Plätzen der für die soziale Infrastruktur aufgrund des jeweiligen geplanten Wohnungsbauvorhabens nötig ist. Dem Berechnungsverfahren liegen immer und ausschließlich die geplante Geschossfläche Wohnen, die sich daraus ableitende Anzahl der Wohneinheiten aufgrund des einheitlichen standardisierten Wertes von 100 m²/WE und die anhand von Erfahrungswerten ermittelte durchschnittliche Belegungsdichte zugrunde. Die Berechnung erfolgt im Rahmen der Angemessenheitsprüfung und ist Teil des gültigen und anzuwendenden städtebaulichen Vertrags.

 

5. Inwieweit stimmen daher die Planungsannahmen aus dem Jahr 2016 noch?

Wie in der Antwort auf die Frage 4 bereits beschrieben liegt dem Berechnungsverfahren des Berliner Modells die geplante Geschossfläche Wohnen zugrunde, welche im städtebaulichen Vertrag festgeschrieben ist. Eine, vom Berechnungsschlüssel zum städtebaulichen Vertrag, abweichende Umsetzung der Planung, also größere oder kleinere Wohnungen als die 100m²/WE, führen zu keiner Neuberechnung der vom Vertragspartner zu realisierenden bzw. zu finanzierenden Leistungen für soziale Infrastruktur. Bezugsgröße bleibt die im B-Plan unverändert festgesetzte Geschossfläche Wohnen.

 

6. Stimmt das Bezirksamt noch der Aussage aus dem städtebaulichen Vertrag vom Jahr 2016 zu, dass es sich in Zukunft bei der Friedenauer Höhe um ein lebendiges Quartier handele, das mit seinen Wohnnutzungen monostrukturellen Entwicklungen entgegenwirken möchte?

Das Bezirksamt geht weiterhin davon aus, dass auf der Friedenauer Höhe ein lebendiges Quartier entstehen wird. Mit den planungsrechtlichen Vorgaben, unterstützt durch den städtebaulichen Vertrag, sind die Grundlagen für ein attraktives und lebendiges Wohnquartier gelegt. Dies geschieht insbesondere durch den Mix aus Baugebieten, verschiedene planende Architekten mit  unterschiedlichen Wohnungsschlüsseln und Baustilen, einem Wohnungsmix entlang der Autobahn und S-Bahn-Trasse, familiengerechte Wohnungen mit bis zu 5 Zimmern im Blockinnenbereich, hochwertig gestaltete Freiflächen, Einkaufsmöglichkeiten im Quartier, öffentlichen Spielplätze und Grünanlagen sowie dem wenigen quartiersinternen PKW-Verkehr.

 

7. Gibt es Erwägungen seitens des Bezirksamts, den städtebaulichen Vertrag an die neuen Gegebenheiten anzupassen und eine erneute Analyse der potentiellen Nutzer_innenstruktur und ihre Auswirkungen auf das Umfeld durchführen zu lassen (Berechnung der Grundschulplätze, Stellplätze, Bedarf an wohnungsnahen Grünflächen, Ermittlung des Neuverkehrs etc.)?

Nein, eine Anpassung ist nicht vorgesehen. Die Berechnung der Bedarfe an sozialer Infrastruktur und wohnungsnahen Grünflächen erfolgt wie in der Antwort auf die Frage 4 beschrieben anhand eines standardisierten und festgelegten Verfahrens, wodurch landesweit ein einheitliches Bewertungssystem gesichert wird. Dieses gilt auch für das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg. Die Leistungspflichten hat die Projektträgerin im städtebaulichen Vertrag anerkannt und muss diese entsprechend umsetzen. Bei dem Bebauungsplan 7-68 handelt es sich inzwischen um einen rechtskräftigen Bebauungsplan auf dessen Grundlage die planungsrechtliche Beurteilung über die Zulässigkeit von Bauvorhaben entschieden wird.

 

8. Stimmt nach Ansicht des Bezirksamts die damalige wirtschaftliche Gesamtbetrachtung im städtebaulichen Vertrag vom Jahr 2016 noch?

Die im städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungspflichten gemäß des Berliner Modells müssen auch unter dem Gesichtspunkt der Gesamtbelastung des Vorhabenträgers angemessen sein. Dabei sind alle in einem städtebaulichen Vertrag enthaltenen Verpflichtungen im Zusammenhang und damit in ihrer wirtschaftlichen Gesamtwirkung zu würdigen (wirtschaftliche Gesamtbetrachtung). Die Angemessenheitsprüfung erfolgte abschließend zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des städtebaulichen Vertrages.

 

9. Mit welchen Auswirkungen rechnet das Bezirksamt angesichts der Tatsache, dass  Mikrowohnungen durchschnittlich höhere Erträge auf den Quadratmeter gerechnet generieren, weil sich höhere Mieten durchsetzen lassen, und die deswegen beliebte Anlageobjekte mit hohen Renditen sind? Und welche Maßnahmen wird das Bezirksamt ergreifen, um die erwartbaren erheblichen Veränderungen und Verdrängungsrisiken für die bestehende Nachbarschaft abzufedern?

Es ist bei den Mikro-Apartments, die überwiegend im Nordriegel der Friedenauer Höhe vorgesehen sind, nicht mit einer exorbitant hohen Mietenentwicklung zu rechnen. Diese Wohnungen weisen für „Anlageobjekte“ weniger attraktive Grundrisse auf, da sie mehr Einschränkungen in Bezug auf den Schallschutz unterliegen als die Wohnungen im Blockinnenbereich.

Das Bezirksamt geht nicht von Verdrängungseffekten für das angrenzende Wohngebiet aus. Friedenau verfügt über einen großen Anteil an Eigentumswohnungen und die Mieten bewegen sich auch jetzt schon im oberen Preissegment.

 

10. Inwieweit kann das Bezirksamt gewährleisten, dass hier wirklich nachhaltig genutzter Wohnraum entsteht, und wie kann verhindert werden, dass  die nicht geförderten Mikrowohnungen möbliert oder teilmöbliert nur für einen begrenzten Zeitraum vermietet werden?

und

11. Werden diese Mikrowohnungen in Zukunft Mietwohnungen bleiben oder ist damit zu rechnen, dass sie in Eigentumswohnungen umgewandelt werden?

Wie in anderen Wohngebieten auch, lässt sich dies grundsätzlich nicht gewährleisten. Das Bezirksamt hat keine rechtlichen Instrumente die zukünftige Vermietungspraxis der Eigentümer zu beeinflussen.

 


12. Inwieweit kann und will das Bezirksamt darauf hinwirken, dass für die restlichen 75% der Wohnungen keine spekulativen Absichten verfolgt werden (beispielsweise in einer Neuüberarbeitung des städtebaulichen Vertrags, der die neuen Bedingungen berücksichtigt)?

Eine nachträgliche Änderung des städtebaulichen Vertrags ist nur einvernehmlich und auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage möglich. Die in den Fragen aufgeworfenen Themen bieten keine Grundlage für eine nachträgliche oder vom Standard des Modells der kooperativen Baulandentwicklung abweichende geänderte Vertragsgestaltung.

 

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Oltmann

Stellvertretender Bezirksbürgermeister

Stadtrat für Stadtentwicklung und Bauen


Anlage - Wohnungsschlüssel Friedenauer Höhe

 

WA1 Grüntuch Ernst Architekten

115Wohneinheiten

571-Zimmer-Wohnungen

412-Zimmer-Wohnungen

102-Zimmer-Maisonette-Wohnungen

73-Zimmer-Wohnungen

 

WA2 Grüntuch Ernst Architekten

429Wohneinheiten

2241-Zimmer-Wohnungen

1982-Zimmer-Wohnungen

73-Zimmer-Wohnungen

 

WA3 Ten Brinke Berlin

236WE (geförderter Wohnungsbau) und 2 frei finanzierte Wohnungen

451-Zimmer-Wohnungen

712-Zimmer-Wohnungen

763-Zimmer-Wohnungen

394-Zimmer-Wohnungen

75-Zimmer-Wohnungen

 

WA4 Ten Brinke

64 Wohneinheiten

321-Zimmer-Wohnungen

92-Zimmer-Wohnungen

193-Zimmer-Wohnungen

55-Zimmer-Wohnungen

 

WA5 Tchoban Voss Architekten

131 Wohneinheiten

51-Zimmer-Wohnungen

592-Zimmer-Wohnungen

653-Zimmer-Wohnungen

24-Zimmer-Wohnungen

 

WA6 Tchoban Voss Architekten

394Wohneinheiten

171-Zimmer-Wohnungen

1722-Zimmer-Wohnungen

1793-Zimmer-Wohnungen

254-Zimmer-Wohnungen

15-Zimmer-Wohnung

 

Für die noch ausstehenden Wohngebiete WA7 und WA8 liegen noch keine konkreten Planungen vor.

Im Ausschuss für Stadtentwicklung wurden Schätzwerte angegeben. Demnach werden insgesamt ca. 1.500 WE gebaut werden

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