Für menschenwürdige Zustände statt Hetze, Kürzungen und Verdrängung

Katharina Marg

Alle Menschen haben ein Anrecht auf ein Dach über dem Kopf. Sowohl durch die Menschenrechte, als auch durch das Grundgesetz ist Deutschland verpflichtet „allen Menschen das Recht auf Wohnen als Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten“. Die ursprünglich als kurzfristige Notlösung vorgesehene ordnungsrechtliche Unterbringung als Maßnahme der Gefahrenabwehr ist vielfach zur dauernden Verwahrung geworden, in der manche Menschen ihr Leben lang gefangen sind. In Schöneberg befindet sich eine solche ASOG-Unterkunft. Dort spitzt sich seit einiger Zeit die Lage zu. RTL ("Sozialunterkunft"), BILD ("Sozial-Hotel"), Welt ("Roma-Unterkunft"), Tagesspiegel ("Die ersten wählen deswegen AfD") und die Berliner Morgenpost berichteten. Der Pressesprecher einer der drei Polizei-Gewerkschaften behauptet, "da werden Leute bewusst klauen geschickt"(Welt, 11.08.2025). Als Senatorin Kiziltepe die Debatte als rassistisch einordnete, wurde sie von den Anwohnenden verklagt. Doch die aufgeheizte Debatte um die Unterkunft in der Fuggerstraße geht an den eigentlichen Missständen vorbei und verschlechtert die Lage für besonders schutzbedürftige Menschen. Statt Lösungen zu entwickeln, die langfristig wirken, wird die Diskussion zunehmend auf die Herkunft der Bewohner:innen verengt. Die FDP beantragte im Bezirksparlament, in der Notunterkunft sollten "keine Personen aus Osteuropa mehr untergebracht werden", das BSW verstieg sich darauf, die Willkommenskultur sei gescheitert (BVV, 01.10.2025), und Aussagen des zuständigen Sozialstadtrates Matthias Steuckardt (CDU) zufolge sei das Problem gar die Osterweiterung der EU (BVV, 17.09.2025). Solche populistischen Verdrängungen eigener Verantwortlichkeit lenken von den strukturellen Problemen ab und werden dem Recht auf ein Dach über dem Kopf für obdachlose Menschen nicht gerecht.

Aktuell ist die Unterkunft in der Fuggerstraße wegen Ungezieferbefall geschlossen. Hier leb(t)en Menschen, die von Obdachlosigkeit akut bedroht sind und zu den einkommens-ärmsten Gruppen unserer Gesellschaft gehören: Familien mit Kindern, Personen mit Rassismus-/ Antiziganismuserfahrung, Menschen mit Suchterkrankungen oder schweren psychischen Belastungen. Viele von ihnen sind erwerbsunfähig oder arbeiten sehr schlecht bezahlt im Niedriglohnsektor. (Ein Drittel der wohnungslosen Menschen in Berlin sind minderjährig.) Dazu kommen queere Menschen mit ihren vielfachen Diskriminierungserfahrungen. Dennoch müssen sie alle in solchen Unterkünften auf engstem Raum, ohne soziale Arbeit und ohne Schutzkonzepte leben. Sanitäre Anlagen sind für Frauen, Kinder und queere Personen oft kaum sicher nutzbar, bzw. in sehr schlechtem Zustand. Die überhöhten Mietpreise (zurzeit 27 Euro pro Person und Tag) zahlt das Land Berlin.

Statt Unterstützung erhalten viele Hilfesuchende Abweisung: Sozialämter verweigern Leistungen trotz bestehender Rechtsansprüche, Mittel für niedrigschwellig zugängliche psychosoziale Hilfen werden gekürzt, für die Straßensozialarbeit in Schöneberg fehlen die Gelder von der Berliner Landesregierung. Gleichzeitig wurden die im Koalitionsvertrag von CDU und SPD angekündigten Verbesserungen, insbesondere die Einrichtung sozialer Arbeit in den Unterkünften, bisher nicht eingelöst. Festzuhalten ist: Wer sein Haus für ASOG-Unterbringungen zur Verfügung stellt, betreibt ein lukratives Geschäft auf Kosten des Staates, also uns allen. Das Elend der Bewohner:innen ist dabei offensichtlich zweitrangig, unhaltbare Standards werden, so scheint es, billigend in Kauf genommen und nur widerwillig verbessert. Bettwanzen in dem Haus in der Fuggerstraße, wie in vielen Übergangshotels, sind nur eines der ungelösten Probleme. Empörend ist die Schieflage im Hilfesystem seit Jahrzehnten, getan wird nichts - sondern im Gegenteil Bedürftige pauschal in den Medien als Betrüger diffamiert, während der Staat sich Einnahmen in Milliardenhöhe durch nicht verfolgte Steuerhinterziehung entgehen lässt.

Die derzeitigen ASOG Mindeststandards regeln vor allem bauliche und sicherheitstechnische Aspekte - etwa die Zahl der Sanitäreinrichtungen, Feuerlöscher oder Brandschutzauflagen. Soziale Betreuung, Schutzkonzepte für vulnerable Gruppen oder kindgerechte Bedingungen sind darin jedoch nicht verbindlich geregelt. Genau diese Lücke muss geschlossen werden. 

Wir fordern:

• Erhalt und Ausbau der psychosozialen Hilfen statt Kürzungen

• Gut ausgestattete Sozialarbeit und ein Hilfesystem, das den Namen verdient

• Die Priorität auf Sozialen Wohnungsbau setzen statt auf noch mehr Büroraum und noch mehr Eigentumswohnungen

• Ein Gesetz, das menschenwürdige Bedingungen für wohnungslose Menschen garantiert

• Sicherheit für die Nachbarschaft durch soziale Mindeststandards 

• Verbindliche Schutzkonzepte für Kinder, Frauen, queere Menschen und andere vulnerable Gruppen

• Schutz für Frauen, Kinder und an den Rand gedrängte Menschen

• Freizeit- und Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche ausbauen, statt zu kürzen

• Eine Politik, die Verantwortung übernimmt, statt Grundrechte gegeneinander auszuspielen

 

*Der Text entstand in Zusammenarbeit mit der Die Linke Basisorganisation Schöneberg.