Autonome Kleinbusse

Rede in der BVV, BV Martin Rutsch

Herr Vorsteher, meine Damen und Herren,

erneut haben wir eine Diskussion über autonome Kleinbusse, über autonomes Fahren. Dieses Thema verspricht dem einen oder anderen heute die Spitze der gegenwärtigen Entwicklung im Personenverkehr zu sein. Die letzten Diskussionen in der BVV haben eine grundsätzliche Einigkeit bei den großen Fraktionen gezeigt – trotz dem Klein-Klein innerhalb der Zählgemeinschaft, das zumindest vom Titel her an die Serie „Szenen einer Ehe“ erinnert – Einigkeit besteht darin, dass autonomes Fahren prinzipiell gut sei, ohne sich der weiteren Konsequenzen bewusst zu sein.

Autonomes Fahren ist keine ausgereifte Technologie. Was wir bislang haben in Berlin, sind Pilotprojekte wie der Kleinbus in Tegel, über den wir erst Ende des Jahres verlässliche Daten haben werden. Ich finde, wir sollten uns in dieser frühen Phase erst prinzipiell über Vor- und Nachteile von autonomen Kleinbussen unterhalten, bevor wir konkrete Vorhaben planen. Denn nicht jede Innovation bedeutet Fortschritt und nicht jede Neuerung bedeutet Verbesserung.

Es ist der falsche Weg, autonomes Fahren prinzipiell zu befürworten, nur weil es neu und modern glitzert. Wir haben in dieser Stadt die Verkehrswende in Angriff genommen: Weniger mobilisierter Individualverkehr, weniger Emissionen, mehr öffentliche Verkehrsmittel, mehr Rad- und Fußverkehr – das ist das Ziel. Ja es ist richtig, dass das alles viel schneller gehen muss und dass der Senat schneller sein könnte, doch ob gerade autonomes Fahren hier den notwendigen Schub bringt, bleibt fraglich.

Selbst wenn die autonomen Kleinbusse wie in Tegel mit Elektroantrieb fahren, bleibt ihre Umweltbilanz negativ, weil E-Mobilität keine ressourcensparende Technologie ist. Wir sollten den engen bezirklichen Rahmen spätestens verlassen, wenn es um den Abbau von Lithium und Kobalt geht, die das Bild der klimaneutralen und umweltschonenden Technologie zerstören. Diese Metalle sind notwendig für die Batterien der autonomen Kleinbusse und werden fernab von Tempelhof-Schöneberg teils zu Bedingungen abgebaut, die jede Diskussion um Baumfällungen und Grünbebauung im Bezirk lächerlich erscheinen lassen. Dort findet Umweltzerstörung und Raubbau an der Natur im großen Stil statt, und es wird stillschweigend hingenommen. Autonome Kleinbusse mit Elektroantrieb sind die Wende innerhalb der Verkehrswende und wir drehen uns im Kreis, wenn wir denken, damit eine  nachhaltige Technologie gewonnen zu haben. Das Gegenteil ist der Fall.

Ein weiterer Aspekt ist mir und meiner Fraktion sehr wichtig: Was heißt es denn, auf lange Sicht  autonomes Fahren im öffentlichen Nahverkehr zu etablieren? Es heißt, dass immer weniger Menschen gebraucht werden, die die Busse fahren. Es ist der Beginn eines strukturellen Wandels, der am Ende die Frage nach Arbeitsplätzen stellt. Hier zeichnet sich ein Abbau von Arbeitsplätzen ab. Heute mag das noch kein Problem sein, der Bus in Tegel gefährdet niemanden. Doch eines ist klar: Sollte sich der autonome Bus zu einer ausgereiften Technologie entwickeln, und das wird geschehen, dann steht der Wegfall von Arbeitsplätzen auf der Agenda – Arbeitsplätze von Busfahrerinnen und Busfahrern, die heute von unschätzbarem Wert für das Funktionieren dieser Stadt sind. Es gilt auch hier: Nicht jede Innovation bedeutet Fortschritt. Und nicht alles Neue muss etwas Besseres für die Menschen sein.

Vielen Dank.