Sozialpolitik im Koalitionsvertrag 2021 von SPD, Grüne und FDP mangelhaft

Auch wenn kosmetische Vorhaben der nächsten vier Jahre im Bereich Soziales durchaus wahrnehmbar sind, ist der Tenor der Vereinbarungen an den Interessen des Kapitals angelehnt. Die mit Demütigungen verbundene Hartz-IV-Leistung wird lediglich in Bürgergeld umbenannt, während die Sanktionen, die mit diesem System verbunden sind, um die betroffenen Menschen gefügiger zu machen, bleiben. Auch die minimale Leistungserhöhung von 3 Euro ab Januar 2022 ist ein Hohn, bei einer Inflation von bis zu 5% und deutlich steigenden Energiekosten, die aus dem Regelsatz getragen werden müssen.

Sozialabgaben für Unternehmen bei ALG-II-Arbeitsmaßnahmen: Fehlanzeige, da diese bezuschusst werden. Auch die eher kapitalfördernden Eingliederungs-Maßnahmen für ALG-II-Betroffene, in denen nur Einzelne, wenn überhaupt, wieder eine Chance auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt haben, werden nicht infrage gestellt. Für die Beschäftigten gilt nicht die Arbeitslosenversicherung während der Maßnahme, so bekommen sie selbst nach fünf Jahren kein ALG I sondern wandern postwendend wieder ins ALG-II-System.

Zwar will die Koalition Bildungsmaßnahmen fördern: „Für Menschen in Arbeitslosigkeit und Grundsicherung fördern wir vollqualifizierende Ausbildungen…“. Das klingt so erst mal positiv. Viele Erwerbslose haben eine Berufsausbildung, kommen aber aus unterschiedlichen Gründen für diese Arbeit nicht mehr in Frage. Sie müssen derzeit jede Art von Arbeit annehmen. Vermittlung in Arbeit soll keinen Vorrang mehr vor einer beruflichen Aus- und Weiterbildung haben, mit dem Anreiz eines monatlichen „Weiterbildungsgeldes“ von 150 Euro. Dies ist ein kleiner Fortschritt und wird dann hoffentlich auch flächendeckend umgesetzt.

Neu ist nun ein „Qualifizierungsgeld“ für Betriebsbeschäftigte, das aber vorrangig Unternehmen begünstigt, die damit in ihrem Strukturwandel unterstützt werden sollen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden dann vom Staat bezahlt, wie dies auch beim Kurzarbeitergeld der Fall ist. Am meisten verärgert hat die Arbeitgeberseite, dass der Mindestlohn von 12 Euro/Std. kommen soll. Im Vergleich zu vorher ist dies eine Verbesserung, jedoch gemessen am Preisanstieg der letzten Monate war das längst überfällig.

Kontraproduktiv ist dagegen das Vorhaben, den Niedriglohnsektor mit Mini- und Midijobs weiter zu stärken. Die geplante Erhöhung der Entgeltgrenze ist eine armutsfördernde Initiative, da sie auf Wunsch der Arbeitgeber:innen lediglich dazu dient, die bisherige „Arbeitskraft“ der Mitarbeiter:innen dem Mindestlohn anzupassen. Besorgniserregend ist die Absicht, das „Rentenniveau“ mit „kapitalgedeckten Elementen“ absichern zu wollen. Dies muss alle Rentenbezieher:innen verunsichern, wenn Gelder aus der staatlichen Rentenversicherung Aktienspekulanten überlassen werden, die auch zum Teil für eine Rentengarantie sorgen sollen. Besonders pikant wären dann Investitionen in den Immobilienmarkt.

Alles in allem, das meiste Geld fließt in die Wirtschaft, Digitalisierung und Militarisierung, bei steigender Armutsquote. Und damit etwaige Erwartungen der Bevölkerung im Bereich Soziales, Wohnen und Gesundheitsförderung gedämpft werden, soll die Schuldenbremse ab 2023 wieder greifen. Steuererhöhungen für Reiche wurden ausgeschlossen. Das Kapital bestimmt die Politik, die die bürgerlichen Parteien verinnerlicht haben.

DIE LINKE steht für eine sozialistische Politik, bei der das Gemeinwohl und der Mensch mit seinen Bedürfnissen Vorrang haben.

Elisabeth Wissel, Doris Hammer