Hilfe unter Druck: Notdienst Berlin e.V. und die Herausforderungen der Suchthilfe

Katharina Marg

Mit dem Gesundheitsausschuss besuchten wir die Anlaufstelle des Notdienstes für suchtmittelgefährdete und –abhängige Berlin e.V.  am Nollendorfplatz, das sogenannte Bülow-Eck. Die Arbeit der Einrichtung stellten dem Ausschuss die Einrichtungsleitung Stephanie Thriemer und Michael Frommhold als Geschäftsführung vom Notdienst Berlin e.V. vor. Sie gewährten den Anwesenden nicht nur einen Einblick in die tägliche Arbeit vor Ort, sondern machten auch auf die enormen Herausforderungen aufmerksam, mit denen die Einrichtung konfrontiert ist.

Von 20 auf über 120 Kontakte täglich

Ursprünglich für 20 Personen pro Tag konzipiert, verzeichnet das Bülow-Eck mittlerweile mehr als 120 Kontakte täglich. Die Einrichtung richtet sich vor allem an Menschen in der Sexarbeit und an von Einsamkeit betroffene Personen. Hier werden grundlegende Hilfen angeboten: Waschmaschinen, Duschen, frische Kleidung sowie Essen und Trinken. Zudem gibt es eine medizinische Sprechstunde an zwei Tagen pro Woche, betreut von Ärzt:innen.

Auch sozialarbeiterische Unterstützung ist Teil des Angebots: Hilfe bei Wohnraumfragen, Substitution, Bürgergeldanträgen und Versicherungsstatus werden durch eine Clearingstelle koordiniert. Ziel ist es, einen sicheren, diskriminierungsfreien Raum zu bieten – ein Ort, an dem Menschen mit oft komplexen Problemlagen Vertrauen fassen können.

Drogenkonsum als zentrale Herausforderung

Ein zentrales Thema bleibt die Versorgung von Drogenkonsument:innen. Zwar gibt es Konsumräume in der Birkenstraße und am Kottbusser Tor, doch der Bedarf wächst stetig – auch durch die veränderte Drogenlandschaft: Methamphetamin und Heroin nehmen zu, während Kokainimporte deutlich steigen. Viele Klient:innen leiden unter Verwahrlosung und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, was ihren Zugang zur regulären Gesundheitsversorgung zusätzlich erschwert.

Der Drogennotdienst versucht, mit der Verteilung steriler Konsumutensilien, medizinischer Beratung und einem eigenen Substitutionsarzt gegenzusteuern.

Sprachbarrieren erschweren die Hilfe

Ein strukturelles Problem sind Sprachbarrieren: Etwa 50 % der Nutzer:innen sprechen kein Deutsch, 30 % können kaum kommunizieren. Das führt dazu, dass viele Betroffene aus dem Hilfesystem herausfallen. Zwar unterstützt bereits eine bulgarischsprachige Vermittlerin beim Träger Olga, dennoch bleibt der Bedarf an Dolmetscher:innen hoch. Selbst für deutschsprachige Menschen sei das komplizierte Hilfesystem kaum verständlich, betonten die Sozialarbeitenden.

Fehlender Wohnraum

Neben medizinischer und sozialer Unterstützung spielt auch die Wohnraumbeschaffung eine zentrale Rolle. Doch Wohnungen auf dem freien Markt sind kaum zu finden. Viele Betroffene leben dauerhaft in sehr prekären Verhältnissen. Die GENIUS Wohnbau eG, eine Genossenschaft im Rahmen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, soll langfristig helfen, doch der Prozess ist langwierig und stockend.

Finanzielle Kürzungen bedrohen Hilfsangebote

Eine besondere Sorge bereitet die angekündigte Kürzung des Integrierten Gesundheitsprogramms (IGPP) um bis zu 30 % bis 2026. Die Folgen könnten gravierend sein: Ein erheblicher Teil der unterstützten Menschen würde komplett aus dem Hilfesystem fallen. Diese Einsparungen stehen in krassem Widerspruch zur Realität in Berlin, wo die Bevölkerungszahl steigt, ebenso wie die Zahl der Hilfesuchenden.

Bezirksweite Kooperationen stärken die Suchthilfe

Im dritten Tagesordnungspunkt stellte Nora Bruckmann, Suchthilfekoordinatorin der QPK (Qualitätsentwicklungs-, Planungs- und Koordinierungsstelle), die verschiedenen Netzwerke vor, die im Bezirk Tempelhof-Schöneberg aktiv sind: Dazu gehören u. a. die Fachgruppe „Sucht“ der PSAG, das Netzwerk NUDRA und der Runde Tisch Drogen. Viermal jährlich kommen dort Expert:innen zusammen, um Maßnahmen zu koordinieren. Auch stadtweite Kooperationen mit der Landesdrogenbeauftragten sind Teil der Arbeit. Themen wie Spritzenentsorgung, öffentliche Anlaufstellen und die Weitergabe drogenbezogener Vorfälle an das Ordnungsamt wurden ebenfalls angesprochen.

Forderungen der Linken

Was die der Besuch am Nollendorfplatz deutlich gemacht hat, ist vor allem eines: Die soziale Infrastruktur dieser Stadt steht unter massivem Druck, wird aber gleichzeitig dringendst gebraucht. Einrichtungen wie das Bülow-Eck leisten tagtäglich unverzichtbare Arbeit für die am stärksten marginalisierten Menschen: Wohnungslose, Drogengebraucher:innen, Menschen in der Sexarbeit, Nichtversicherte, Geflüchtete und damit für die ganze Stadt.

Dass diese Angebote überlaufen sind, dass Sprachbarrieren Hilfe schwer machen, und dass gleichzeitig massive Kürzungen, wie die geplante Reduzierung des Integrierten Gesundheitsprogramms um 30 %, drohen, ist politisch verantwortungslos. Eine solidarische Stadt darf nicht sparen auf Kosten derer, die am wenigsten haben. Wir als Linke fordern stattdessen den konsequenten Ausbau niedrigschwelliger Hilfsangebote, mehr finanzielle Sicherheit für freie Träger und einen garantierten Zugang zu medizinischer und sozialer Versorgung. Es braucht mehr soziale Arbeit, Zugang zu ärztlicher Versorgung, mehr Dolmetscher:innen, bezahlbaren Wohnraum und insbesondere eine Politik, die soziale Gerechtigkeit über Haushaltskonsolidierung stellt.