Vergabegesetz ein Erfolg?

Christine Scherzinger, Fraktion (LINKE)

Frage 1.

Wie ist der Stand, Zentrale Vergabestelle (von öffentlichen Vergaben nach dem Berliner Vergabegesetz) im Bezirk?

Antwort zu 1.

Auf Grundlage eines förmlichen Beschlusses des Bezirksamtes vom 18. Dezember 2019 wurde die Zentrale Vergabestelle für das Bezirksamt bei der SE Facility Management eingerichtet. Die Einrichtung von zentralen Vergabestellen ist durch die letzte Änderung des Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) vorgegeben. 

 

Frage 2.

Wird es und voraussichtlich wann für die BVV einen Bericht zur Zentralisierung der Vergabe geben?

Antwort zu 2.

Die Vergabe- und Vertragsstelle bei der SE Facility Management hatte bereits vor  der entsprechenden Änderung des BezVG auf Ersuchen der jeweiligen Bedarfs-träger entsprechende Dienstleistungen bei Vergabeverfahren einschließlich umfassender Beratungen wahrgenommen.

Vor diesem Hintergrund hatte das Bezirksamt zunächst von einem förmlichen Bericht abgesehen.

 

Frage 3.

Wie bewertet der Bezirk das Vergabegesetz?

Antwort zu 3.

Insbesondere der Zweck und die Ziele des Berliner Ausschreibungs- und Vergabe-gesetzes (BerlAVG), also die Förderung sozialer, beschäftigungspolitischer und umweltbezogener Aspekte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, auch im Sinne der §§ 103 und 104 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), werden seitens des Bezirksamtes nachdrücklich begrüßt.

 

Frage 4.

In welchen Fachbereichen im Bezirksamt hat sich gegenüber dem alten Vergabegesetz etwas geändert und was genau?

Antwort zu 4.

Das neu gefasste BerlAVG findet Anwendung auf die gesamte Bezirksverwaltung. Je nach Art und Menge der jeweiligen Vergabeverfahren und erteilten Aufträge sind die Fachbereiche in ihrer Auftraggeberfunktion unterschiedlich involviert. Jedoch liegt das weitaus höchste Beschaffungsvolumen für Dienst-, Liefer- und Bau-leistungen bei der SE Facility Management.

Die eigentlichen Geschäftsprozesse der Vergabe (überwiegend als eVergabe) sind durch das aktuelle BerlAVG gegenüber der Vorversion nicht verändert.

Von hoher praktischer Bedeutung ist jedoch die Anhebung des vergabespezifischen Entgelts auf 12,50 € gem. § 9 Abs.1 Nr.3 BerlAVG, also die Vorgabe eines Mindestlohnes. Diese neue Regelung gilt im gesamten Anwendungsbereich des BerlAVG und wird zu entsprechend höheren Preisen bzw. Ausgaben führen, z.B. bei der Bauunterhaltsreinigung. Somit sind budgetmäßige Auswirkungen bei den vermögensverantwortlichen Ämtern zu erwarten.

 

Frage 5.

Bei welchen Vergabeverfahren übernimmt grundsätzlich die Berliner Landesverwaltung diese Aufgabe?

Antwort zu 5.

Bei gleichartig auftretendem Bedarf in verschiedenen Verwaltungszweigen wird gem. Nummer 7 der Ausführungsvorschriften zu § 55 Landeshaushaltsordnung

(AV LHO) die Beschaffung in  sogenannten Sammelbestellverfahren zusammen-gefasst. Diese Verfahren führt grundsätzlich das Landesverwaltungsamt (LVwA) durch.

Konkret: Auf Grundlage einer vorhergehenden Bedarfsabfrage in den Verwaltungs-zweigen führt dann das LVwA förmliche Vergabeverfahren für die entsprechenden Produkte bzw. Leistungen durch. Hiermit soll u.a. der markwirtschftliche Vorteil von Sammelbestellverfahren bzw. eines Großkunden realisiert werden.

 

Frage 6.

Bei welchen Vergabeverfahren ist eine Kooperationen mit der Berliner Landes-verwaltung erforderlich?

Antwort zu 6.

Gegenwärtig werden u.a. folgende Dienst- bzw. Lieferleistungen über das LVwA angeboten:

-  Büroverbrauchsmaterialien (Papier, Kugelschreiber, Farbstifte, Aktenordner …)

- Mobiliar und weitere Ausstattungsgegenstände für Schulen und vergleichbare     öffentliche Einrichtungen.

-  Mobiliar und weitere Ausstattungsgegenstände für die algemeine Verwaltung.

-  …….

 

Frage 7.

Welche sozialen und ökologischen Standards gelten im Vergabegesetz?

Antwort zu 7.

Das BerlAVG enthält insbesondere die folgenden ordnungspolitischen Vorgaben:


- umweltverträgliche Beschaffung, § 7 und § 12 BerlAVG
- Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen bei bestimmten Produkten, § 8 BerlAVG
- Mindeststundenentgelt, Tariftreue, § 9 BerlAVG
- Frauenförderung, § 13 BerlAVG
- Verhinderung von Benachteiligungen, § 14 BerlAVG

- . . . .


Frage 8.

Ist mit den Anforderungen an die Vergabe auch eine Qualitätssteigerung erkennbar?

a) Gibt es bei Mängeln etc. auch die Möglichkeit von Sanktionen?

Antwort zu 8.

Die Ziele und Zwecke der aktuellen Fassung des BerlAVG (hier:22.04.2020) gelten im Wesentlichen bereits seit einem längeren Zeitraum.

Insofern werden mit der aktuellen Fassung keine grundsätzlich neuen Qualitäten von den Bietern gefordert.

Die vertragsrechtlichen Folgen bei Pflichtverletzungen sind in § 17 [Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung des Auftragnehmers] des BerlAVG geregelt.

Die Pflichtverletzungen können im Einzelfall u.a. auch dazu führen, dass Bieter von der Teilnahme an einem Wettbewerb um öffentliche Aufträge bereits im Vorfeld ausgeschlossen werden.


Frage 9.

Gilt das Vergabegesetz bei Bauleistungen unter einem Wert von 50.000 € netto, gar nicht, oder welche Kriterien werden bei dieser Vergabe angewendet?

Antwort zu 9.

§ 3 Abs 1 BerlAVG  bestimmt dessen Anwendbarkeit für Bauleistungen ab einem gechätzten Auftragswert von 50.000 € (netto).

Gem. dem gemeinsamen Rundschreiben Nr. 04/2020 der SenStadtWohn sowie der SenWiEnBe können öffentliche Auftraggeber -unter Beachtung des Verhältnis-mäßigkeitsgebotes- Regelungen des BerlAVG auch bei Verfahren vorgeben, deren geschätzer Auftragwert unterhalb der jeweiligen Wertgrenzen liegen.

Grundsätzlich gelten die Regelungen des § 55 LHO und der entsprechenden AV´s, insbesondere die Nrn. 3.1.1. und 3.4 für die Vergabe von Bauleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes und damit auch für Bauleistungen unterhalb eines Auf-tragswertes 50.000 € (netto).

 

Frage 10.

Wie häufig sind Betriebe 2018 und 2019 kontrolliert worden, ob sie sich an die gesetzlichen Vorgaben nach dem Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz halten, und gab es Fälle von Zuwiderhandlungen?

Antwort zu 10.

Seitens des öffentlichen Auftraggebers sind zunächst stichprobenmartige Kontrollen vorgesehen. Diese Kontrollen sollen ab dem Jahre 2022 „fünf von hundert“ der in einem Kalenderjahr vergebenen Aufträge erfassen.

Die öffentlichen Auftraggeber werden hierbei durch eine zentrale Kontrollgruppe unterstützt. Voraussetzung für wirksame Kontrollen ist eine (vertraglich verein-barte) Mitwirkung des jeweiligen Auftragnehmers. Insbesondere vor dem Hinter-grund auch internationaler Lieferketten sind entsprechende Dokumentationen und Kontrollen schwierig. 

Ansonsten findet eine erste Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung des Mindestlohnes  bereits bei der Prüfung und Wertung von Angeboten statt; die jeweiligen Kal-kulationseckwerte sind dem Angebot beizufügen. Im Einzelfall wird die SE Facility Management hierbei durch externe Gutachter unterstützt (z.B. bei Reinigungs-leistungen). Auf offensichtlich unauskömmlich kalkulierte Angebote darf keine Zuschlagserteilung erfolgen. 

 

Frage 11.

Wie wird die Transparenz eingehalten bei öffentlichen Aufträgen?

Antwort zu 11.

Das generelle Transparenzgebot bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Kon-zessionen, festgelegt u.a. in § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-schränkungen (GWB)-Teil 4, wird nachweislich durch das Bezirksamt eingehalten.

Hierzu zählt beispielsweise, dass Bieter die Kriterien der Prüfung und Wertung der

Angebote kennen bzw. darüber in Kenntnis gesetzt werden; ferner erhalten sie Informationen über die beabsichtigte bzw. erfolgte Zuschlagserteilung. Im Falle eu-weiter Vergaben steht den Bietern das Recht der Nachprüfung von Vergabe-entscheidungen über die Vergabekammer bzw. das Kammergericht zur Verfügung.
 

Frage 12.

Greift das Berliner Vergabegesetz bei Zeitverträgen, Alt-Verträgen und auch angebotenen länderübergreifenden Leistungen?

Antwort zu 12.

Das neu gefasste BerlAVG gilt für alle Vergabeverfahren, die nach dem 01.05.2020 begonnen haben. Bei laufenden Verträgen ist der Beschaffungsvorgang regelmäßig

abgeschlossen; insofern bleibt für die Anwendung des neu gefassten BerlAVG hier kein Raum.

Bei der Bündelung der Beschaffung von mehreren öffentlichen Auftraggebern ist gem. § 4 BerlAVG mit öffentlichen Auftraggebern, die dem BerlAVG nicht unter-liegen -  weil es sich z.B. um andere Bundesländer handelt - eine Einigung darüber anzustreben, dass die Vergabebestimmungen des Abschnitts 2 und die Ausführungsbedingungen des Abschnittes 3 des BerlVGA bei der Beschaffung Anwendung finden sollen. Kommt eine Einigung nicht zustande, kann von der Anwendung der Abschnitte 2 und 3 abgesehen werden; die Gründe für die fehlende Einigung müssen dann dokumentiert werden.

 

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