Update: Zur Lage von Mieterinnen und Mietern im Bezirk

Harald Gindra

Wir fragen das Bezirksamt:
1.    Welche Herausforderungen sieht das Bezirksamt auf Mieterinnen und Mieter in Tempelhof-Schöneberg 2025 zukommen?

Antwort des Bezirksamts: Für das kommende Jahr sieht das Bezirksamt vor allem zwei Faktoren mit Sorge:
Das betrifft einerseits steigende Nettokaltmieten durch Mieterhöhungen. Der 2024 veröffentlichte Mietspiegel kann von Vermieter_innen als Grundlage für Mieterhöhungen genutzt werden. Insbesondere die städtischen Wohnungsunternehmen Degewo und Gewobag haben laut Rückmeldungen aus der Mieterberatung bereits pauschale Mieterhöhungen an viele Haushalte versandt. Ein weiterer Wegfall von Sozialbindungen bei Wohnungen im Bezirk könnte die Mietpreise zusätzlich erhöhen.

Andererseits wird auch eine Erhöhung der Betriebskosten erwartet, insbesondere im Bereich Energie. Die Jahre 2022 und 2023 waren von massiv gestiegenen Energiekosten geprägt, was zu höheren Betriebskosten geführt hat. Im Jahr 2023 wurden Entlastungsmaßnahmen eingeführt, die die Nachzahlungen für viele Mieter_innen dämpfen konnten. Diese Entlastungsbeträge entfallen jedoch in 2024, sodass im kommenden Jahr erneut mit steigenden Betriebskosten zu rechnen ist. Bereits jetzt reagieren manche Vermieter_innen darauf, indem sie die monatlichen Abschläge erhöhen oder nicht senken, selbst wenn 2023 ein Guthaben erwirtschaftet wurde. Mieter_innen sollten daher auch im Jahr 2025 genau die Mieterhöhungsverlangen und Erhöhungen der Betriebskosten prüfen. Mieter_innen in Tempelhof-Schöneberg können dafür die für sie kostenfreie Miet- und Sozialberatung aufsuchen.

Ein weiterer Aspekt betrifft diejenigen Mieter_innen, die 2025 ihre Wohnungen beispielsweise aufgrund einer Eigenbedarfskündigung verlassen müssen, was diese Menschen vor eine erhebliche Herausforderung stellen wird. Die anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnraum bei begrenztem Angebot führt weiterhin dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen, insbesondere Menschen mit geringem Einkommen, zunehmend aus zentralen Lagen im Bezirk verdrängt werden. Dies erschwert nicht nur die Wohnungssuche, sondern verschärft auch soziale Ungleichheiten im Bezirk, da bezahlbarer Wohnraum für viele Haushalte immer weniger verfügbar ist.
Um die Arbeit der Mieterberatung an dieser Stelle zu erläutern, möchte ich Ihnen einige Kennzahlen der ersten drei Quartale geben (Siehe Abbildung 1 & Abbildung 2 unten).


2.    Wie sind die bezirklichen Mieterberatungen angesichts der Erfahrungen Anfang 2024 mit sehr vielen Anfragen zu tausenden hohen, oft fehlerhaften, Betriebskostenabrechnungen (insbesondere Heizkosten) auf eine neue Welle vorbereitet?

Antwort des Bezirksamts: Zur Erweiterung der Beratungskapazitäten haben die Mieterberatungen eine Aufstockung der Stunden in der sozialen und zivilrechtlichen Mieterberatung erfahren, um schnell und gezielt auf eine hohe Anzahl von Anfragen reagieren zu können. Dies betrifft sowohl allgemeine Mietrechtsfragen als auch spezialisierte Anfragen zu Heiz- und Betriebskosten.

Zur Optimierung der Beratungsmöglichkeiten wurden die Beratungszeiten den Nachfragezeiten angepasst. Durch Doppelbesetzung der Präsenzsprechstunden in den besonders nachfragestarken Gebieten und ergänzende Telefonberatungen können mehr Menschen gleichzeitig erreicht und Wartezeiten reduziert werden. Zudem wird derzeit an der Ausweitung des mehrsprachigen Angebots durch Sprachmittler_innen des Integrationslots_innen-Projekts gearbeitet. Gerade in Gebieten mit vielen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte ist dies ein wichtiger Schritt um möglichst breite Bevölkerungsteile zu erreichen.

Nach Möglichkeit werden für Mieter_innen leicht verständliche Informationsmaterialien und zum Teil auch Checklisten zur Selbstüberprüfung der Abrechnungen erarbeitet. Diese sollen typische Fehler und Problemstellen bei Betriebskostenabrechnungen aufzeigen und den Mieter_innen helfen, einfache Fragen eigenständig zu klären.


3.    Wie haben sich die Fallzahlen der Sozialen Wohnungshilfe in den letzten 5 Jahren entwickelt und wie bewertet dies das Bezirksamt?

Antwort: Das Amt für Soziales hat das Folgende zugearbeitet: „Bei der Beantwortung der Frage 3 wird davon ausgegangen, dass die Fragestellende die Entwicklung der Fallzahlen der Fachstelle Soziale Wohnhilfen zur Übernahme von Mietrückständen und damit zum Wohnraumerhalt in Erfahrung bringen möchte. Der nachfolgenden Tabelle sind die Fallzahlen wie erbeten dargestellt (siehe Abbildung 3 unten). Eine Bewertung allein anhand der Fallzahlen ist nicht möglich, da die Gründe für Räumungsklagen sowie das Entstehen von Mietschulden individuell sehr unterschiedlich sein können. Anhand der Fallzahlen ist erkennbar, dass die Fallzahlen jährlichen Schwankungen unterworfen sind, sich aber im Vergleich zu 2019 nicht erhöht haben.“


4.    Wie haben sich die Fallzahlen zu Wohngeldbeantragung und -gewährung in den letzten drei Jahren entwickelt und wie bewertet dies das Bezirksamt?

Antwort: Zu dieser Frage hat das Amt für Soziales wie folgt zugearbeitet: „Die Fallzahlen zur Wohngeldbeantragung und –gewährung bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen (siehe Abbildung 4 unten). Das Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) ist eine Leistung des Bundes. Das Bezirksamt ist lediglich für die Ausführung des Wohngeldgesetzes verantwortlich. Das Wohngeld wurde vom Bundesgesetzgeber durch das Wohngeld-Plus-Gesetz zum 01.01.2023 erheblich ausgeweitet. Sowohl der Kreis der Bezugsberechtigten als auch der jeweilige Wohngeldbetrag wurden erheblich erhöht. Das Wohngeld ist vom Gesetzgeber als Zuschuss zur Miete geregelt worden. Das Bezirksamt sieht diesen Zweck mit dem Wohngeld in seiner derzeitigen Ausgestaltung vollumfänglich als erfüllt an. Zum 01.01.2025 erfolgt im Rahmen der gesetzlichen Dynamisierung (§ 43 Abs. 1 WoGG) eine weitere Erhöhung des Wohngeldes um durchschnittlich 15 Prozent.“


5.    In welchen Quartieren wirken sich die Mieterhöhungen der landeseigenen Wohnungsgesellschaften (allein in Tempelhof-Schöneberg: Bei Stadt und Land 4.958, degewo 3.323, Gewobag 1.476, HOWOGE 225 Wohnungen) mit Steigerungen bis zu 11 % (Zahlen aus AGH-Drs. 19/20548) besonders konzentriert aus?

Antwort: Die beauftragten Mieterberatungen können keine validen Aussagen zur Konzentration der Mieterhöhungen im Kontext der landeseigenen Wohnungsgesellschaften tätigen.


6.    Welche bisherige Bilanz zieht das Bezirksamt, und welche Erwartungen hat es an das seit dem 2022 agierende „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ in Berlin?

Antwort des Bezirksamts: Das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen wurde 2022 einberufen. Dem Lagebericht des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen vom 30.09.2024 sind folgende wesentliche Feststellungen bzw. Ergebnisse zu entnehmen:
 

a) Miethöhen
„Im Jahr 2023 wurde mit einem Wert von 13,99 Euro pro Quadratmeter und Monat für die Angebotsmieten ein vorläufiger Höhepunkt erreicht. Die Bestandsmieten gemäß Berliner Mietspiegel beliefen sich im Jahr 2023 auf 7,16 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und im Jahr 2024 auf 7,21 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Gemäß IBB Wohnungsmarktbericht 2023 mussten Berliner Haushalte auf Wohnungssuche im Mittel nahezu doppelt so viel Miete pro Quadratmeter aufbringen wie Personen in bestehenden Mietverhältnissen (+ 95,4 %). In den deutschen Großstädten München, Hamburg und Leipzig lagen die entsprechenden Werte deutlich darunter.“


b) Sozialmietwohnungen
„Bis zum 31.12.2023 kam es durch den Ablauf der Bindungen sowie durch vorzeitige Tilgung zu einer Reduktion des Sozialwohnungsbestands auf 90.654 Wohnungen.“


c) Neubau von Wohnungen
„2023 wurden im Land Berlin insgesamt 15.965 Wohnungen fertiggestellt, damit etwa 1.350 Wohnungen weniger als im Vorjahr. Für 2024 rechnet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen mit rund 15.000 fertiggestellten Wohnungen. Für die Jahre 2025 und 2026 wird wieder mit einer Zunahme der Fertigstellungen gerechnet….
“… Im Programmjahr 2023 wurden 3.492 Sozialwohnungen im Rahmen von Projekten mit insgesamt 4.412 Wohnungen gefördert. Die LWU tragen mit 3.065 Wohnungen in 14 Bauvorhaben weiterhin den größten Anteil am geförderten Wohnungsbau…“


d) Mietenentwicklung und Mieterschutz
„Die MIETENPOLITISCHEN VEREINBARUNGEN sind neben dem Neubau der zweite Pfeiler des Bündnisses. Die Mitglieder haben sich auch im Jahr 2023 zur Einhaltung der Vereinbarungen bekannt. Die Bündnispartnerinnen und -partner haben sich verpflichtet, Erhöhungen der Nettokaltmiete, die bei WBS-berechtigten Haushalten zu Belastungen von mehr als 30 % des Haushaltsnettoeinkommens führen, nicht durchzuführen. Die großen privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohneinheiten im Eigenbestand in Berlin vergeben in der Wiedervermietung 30 % der Wohnungen an WBS-berechtigte Haushalte und orientierten sich 2023 an der auf Bundesebene ursprünglich geplanten Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete von derzeit 15 % auf maximal 11 % in drei Jahren.

Die LWU haben im Jahr 2023 ihre, über die Bündnisvereinbarung hinausgehenden Verpflichtungen im Rahmen der Kooperationsvereinbarung eingehalten. So wurden z.B. 8.472 von insgesamt 13.471 wiedervermieteten Wohnungen an WBS-berechtigte Haushalte vergeben. Hierzu wird zeitnah der ausführliche, jährliche Bericht zur Kooperationsvereinbarung veröffentlicht.“
 

e) Neuer Mietspiegel
„Der neue qualifizierte Mietspiegel 2024 wurde Ende Mai veröffentlicht. Mit seiner Anerkennung durch alle sechs in der Arbeitsgruppe vertretenen Mieter- und Vermieterverbände wird ihm die hohe Qualität bescheinigt. Nachdem zuletzt ein einfacher Mietspiegel für das Jahr 2023 veröffentlicht worden war, stellt die aktuelle Publikation einen wesentlichen Schritt dar. Mit dem Mietspiegel 2024 ist eine rechtssichere Ermittlung der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete sowohl für Bestandsmieter als auch bei Neuvermietung möglich. Letzteres stellt auch eine wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen Verfolgung von Mietpreisüberhöhungen gemäß § 5 WiStG dar.“
Als Zwischenfazit muss festgehalten werden, dass die selbst gesteckten Ziele im Neubau nicht erreicht wurden. Es gibt viel zu wenig bzw. gar keine Fluktuation im Markt. Im Wesentlichen bauen die im Verband Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) organisierten Unternehmen, insbesondere die landeseigenen Wohnungsunternehmen. Die hohen Zinsen für Fremdkapital und die immer noch hohen Baukosten tragen dazu bei, dass die sich viele Investoren beim Neubau zurückhalten. Daran kann das Bündnis auch nichts ändern. Auch bei den mietpolitischen Vereinbarungen haben sich vor allem die LWU hervorgetan. Unabhängig vom Bündnis hätte eine mieterfreundlichere Bundesgesetzgebung einen wesentlichen Beitrag für mehr Mieterschutz bedeuten können. Das Bündnis wird somit insgesamt vor allem von den LWU getragen, wenn es um die Erreichung der selbstgesteckten Ziele geht. Insgesamt fehlt aus meiner Sicht dem Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen die Verbindlichkeit für private Unternehmen.


7.    Mit welchen Auswirkungen auf das Angebot von leistbaren und belegungsgebundenen Wohnungen rechnet das Bezirksamt mit der Umsetzung des „Schneller-Bauen-Gesetzes“?

Antwort: Das Amt für Stadtentwicklung hat die folgende Antwort zugearbeitet:
„Das Schneller-Bauen-Gesetz in der Entwurfsfassung mit Drucksache 19/1858 vom 26.08.2024 beinhaltet zwar Regelungen, die sich mit Mietpreis- oder Belegungsbindungen für Wohnraum befassen, beispielsweise § 28 Abs. 2 der neuen Fassung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuchs. Das Gesetz enthält aber keine Regelungen, die unmittelbar die Errichtung von leistbaren und belegungsgebundenen Wohnungen bewirken. Ziel des Gesetzes ist es, in den unterschiedlichen Bereichen des Planens und Bauens bestehende Hindernisse abzubauen und Beschleunigungspotentiale zu nutzen. Dies betrifft unter anderem die Einführung zusätzlicher Fristen, die Neuregelung von Zuständigkeiten, die Privilegierung des Wohnungsbaus in einzelnen Rechtsvorschriften oder die Angleichung von Rechtsnormen an das Bundesrecht. Soweit ersichtlich differenziert das Gesetz aber nicht danach, ob es sich um leistbaren und belegungsgebundenen oder sonstigen Wohnraum handelt. Soweit das Gesetz seine intendierte Wirkung erzielt, können belegungsgebundener oder sonstiger Wohnraum gleichermaßen davon betroffen sein. Eine genaue Prognose ist dem Bezirksamt nicht möglich.“


8.    In welchem Umfang wird es im Zusammenhang mit dem „Schneller-Bauen-Gesetz“ zu Personalverlagerungen vom Bezirk in die Senatsverwaltung kommen?

Antwort: Das Amt für Stadtentwicklung hat hier die folgende Antwort zugearbeitet: „In der Gesetzesbegründung (Drucksache 19/1858 vom 26.08.2024, S. 7) wird von einem punktuellen Mehrbedarf an Personalkosten bei den jeweiligen Senatsverwaltungen im Zusammenhang mit der Verlagerung von Zuständigkeiten im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens (§ 69 BauO Bln) und des Widerspruchsverfahrens (§ 88 BauO Bln) einschließlich des denkmalrechtlichen Widerspruchsverfahrens (§ 12 Abs. 4 DSchG Bln) ausgegangen. Dem stehe eine Entlastung der Bezirksverwaltungen gegenüber. Andererseits könne aus der Erweiterung des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren ein Mehrbedarf auch bei den Bezirksverwaltungen entstehen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es zu Personalverlagerungen vom Bezirk zur Senatsverwaltung kommen wird, lässt sich deshalb nicht seriös beurteilen.“

Die Antwort erfolgte durch Jörn Oltmann, Bezirksbürgermeister mit der Zuarbeit des stellvertretenden Bezirksbürgermeister Herrn Steuckardt und Frau Bezirksstadträtin Majewski aus ihren Abteilungen zur Beantwortung der Großen Anfrage.

Die große Anfrage als Vorgang in der BVV findet sich unter diesem Link.

Die Antwort als PDF ist ganz unten herunterladbar.