Kurfürstenstr. 145-149: Bezahlbarer Wohnraum wiederherstellen, schaffen und langfristig sichern

Große Anfrage, Drucks. Nr: 0714/XX, Bezirksverordnete Dr. Christine Scherzinger (Fraktion DIE LINKE)

Frage 1:
Wie sind die derzeitigen Zuständigkeiten für die Gebäude
Kurfürstenstr. 145 -149 organisiert und in welchem Verhältnis
stehen diese, und seit wann, zum Investor Foncière des Régions
(Hausverwaltung/ Tochterfirmen...)?


Es ist geübte Verwaltungspraxis, dass die für Stadtentwicklung – in
diesem Fall für das ‚Bau- und Planungsrecht‘ – zuständige Abteilung die
Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen bei privaten Bauvorhaben
übernimmt. Gegebenenfalls wird die zuständige Abteilung durch andere
Ämter im Wege der Amtshilfe bei ihrer Arbeit dabei unterstützt.
Ein besonderes Verhältnis besteht dabei gegenüber Bauherrn,
Architekten oder sonstigen Investoren grundsätzlich nicht –
rechtsstaatliches Handeln bemisst sich darin, alle Antragssteller –
ungeachtet der Person – gleich zu behandeln.

 

Frage 2:
Hat das Bezirksamt Kenntnis über die getätigte Aussage des
Investors im Stadtentwicklungs-ausschuss vom 11.4.2018 hinaus,
dass Wohnungen in den Gebäuden der Kurfürstenstr. 145-149 leer
stehen? Wenn ja, wie viele stehen nach derzeitigem Kenntnisstand
leer und was wurde bereits gegen diesen Leerstand/Zweckentfremdung                                           unternommen (Anzahl der bestehenden Wohnungen, Anzahl Leerstand,                                           Unterteilung in bereits sanierte und unsanierte Wohnungen)?

Zuarbeit von Dez Heiß:
Der Zweckentfremdungsbehörde ist der Leerstand bekannt. Es liegen
Anträge auf Erteilung von Leerstandsgenehmigungen vor, die sich noch
in der Bearbeitung befinden. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand der
Zweckentfremdungsbehörde beabsichtigt der Eigentümer, das Haus in
der Kurfürstenstraße 145 abzureißen und durch einen Neubau zu
ersetzen. Ein entsprechender Abrissantrag wurde bisher aber noch nicht
gestellt. Die leerstehenden Wohnungen im Hause Kurfürstenstraße 148
sollen in diesem Zusammenhang als Umsetzwohnungen für Mieter aus
dem Hause 145 genutzt werden.


Frage 3:
Wie hat das Bezirksamt gehandelt, nachdem der Investor davon
berichtete, dass Instandsetzungsmaßnahmen (Elektrik, Wartung der
Aufzüge) bislang nicht durchgeführt wurden, und er diese fälschlich
und unmissverständlich als Modernisierungsmaßnahmen darstellte
(Konsequenzen, Auflagen)?


Da es sich bei den von Ihnen abgefragten Maßnahmen um rein
zivilrechtliche Vorgänge handelt und das Bezirksamt bei der Frage
‚Instandsetzungsmaßnahme oder Modernisierungsmaßnahme‘ keine
Zuständigkeit besitzt, ist die Verwaltung an dieser Stelle auch nicht tätig
geworden. Vorgänge, die den Rechtsbereich der ‚sozialen
Erhaltungsverordnung gem. § 172 (1) Satz 1 Nr. 2‘ Baugesetzbuch
(BauGB) berühren, sind im Bezirksamt derzeit nicht bekannt.

 

Frage 4:
Inwieweit und wie hat das Bezirksamt im Nachhinein auf die
Aussage des Investors im Stadtentwicklungsausschuss vom
11.4.2018 reagiert, er würde in einem Milieuschutzgebiet ein
Gebäude abreißen wollen?

zusammen mit

Frage 5:
Inwieweit zieht das Bezirksamt in Betracht, in den Verhandlungen
zur Aufstellung eines B-Plans im Rahmen des Berliner Modell der
kooperativen Baulandentwicklung landeseigene
Wohnungsbaugesellschaften zu berücksichtigen, um 30 % des
Wohnraums für eine höhere Anzahl von Sozialwohnungen
langfristig (durch Kauf) zu sichern?


Für die Umsetzung des Neubauvorhabens Kurfürstenstraße 145 - 149 ist
entsprechend des aktuellen Entwurfskonzeptes gemäß § 1 (3) BauGB
ein Bebauungsplan erforderlich (ggf. vorhabenbezogener B-Plan). Eine
Befreiung kann nach geltendem Planungsrecht auf Grundlage des
aktuellen Entwurfskonzeptes nicht erfolgen, da sich aus der
angestrebten städtebaulichen Dimension des Vorhabens ein
Planerfordernis ergibt. Das Entwurfskonzept ist mit dem Fachbereich
Stadtplanung final noch nicht abgestimmt. Dies wurde bereits mehrfach
der BVV mitgeteilt.


Folgende Punkte wurden dem Vorhabenträger zwischenzeitlich zur
Klärung übermittelt:


Die Kompensation von wegfallenden Bestandswohnungen (Abriss) im
Zusammenhang mit dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz und der
sozialen Erhaltungsverordnung sowie die Anwendung des Berliner
Modells der kooperativen Baulandentwicklung bei der geplanten Baumaßnahme.

Hierbei vor allem die Frage, ob die Wohnungen im
Bestand mit dem zu leistenden Anteil an Mietpreis-und
Belegungsbindungen von grundsätzlich 30 Prozent der geplanten
Wohnungen verrechnet werden können oder ob die Wohnungen im
Bestand zusätzlich gesichert werden müssen. Zur Klärung dieser Fragen
wurde der Vorhabenträger aufgefordert, nähere Informationen schriftlich
vorzutragen.


Ob am Ende eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft den Bau der
geforderten Sozialwohnungen übernehmen wird, kann im derzeitigen
Abstimmungsstand überhaupt noch nicht beantwortet werden. Dazu
müsste vor allem der Vorhabenträger bereit sein und am Ende müsste
auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft dazu ja sagen. Im
Übrigen scheint hier ein Missverständnis vorzuliegen. Ein privater
Bauherr muss im Rahmen des kooperativen Baulandmodells 30% wbspflichtigen
Wohnraum nachweisen. Eine städtische
Wohnungsbaugesellschaft müsste hier 50% wbs-pflichtigen Wohnraum
nachweisen und dürfte den freifinanzierten Wohnraumanteil nur mit
durchschnittlich bis zu EUR 10/qm nettokalt anbieten.


Frage 6:
Ist dem Bezirksamt bekannt, dass nach einer Begehung der
Kurfürstenstraße 148 am 17. Oktober 2016 mit der damaligen
Hausverwaltung Taylor Company, der Bauaufsicht, dem
Gesundheitsamt, dem Team-QM und dem QM-Projekt Mieten und
Wohnen, verabredet wurde, dass die Taylor Company innerhalb von
zwei Wochen, also bis Anfang November 2016, einen Gutachter
beauftragen sollte, der ein Asbest-Sanierungskonzept vorlegen
sollte? Wann wurde dieses Konzept vorgelegt, welche Maßnahmen
waren darin vorgesehen, und wann wurden diese durchgeführt?

 

Die Gutachterliche Stellungnahme vom 06.11.2016 umfasst 21 Seiten
und wurde der bezirklichen Bau- und Wohnungsaufsicht (kurz: BWA) per
E-Mail am 07.11.2016 zugesandt.


Auslöser dieses Gutachtens war die unzulässige Entfernung der
asbesthaltigen Fußbodenplatten (Floor-Flex-Platten) im Flur des 7.
Obergeschosses.


Bei der Besichtigung am 17.10.2016, bei der auch das Landesamt für
Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi)
zugegen war, wurde festgestellt, dass die asbesthaltigen
Fußbodenplatten in den Geschossen EG- 6. OG noch vorhanden waren.
Vom 4.-6.OG waren die Fußbodenplatten mit Teppichfliesen überklebt.
Im 7. OG waren die Teppichfliesen über den asbesthaltigen Kleber
verlegt worden.
Nach dem Gutachten können die Teppichfliesen im 4.-6.OG verbleiben.
Die Teppichfliesen im 7.OG waren wieder aufzunehmen und der
darunterliegende Kleber vollständig zu entfernen. Die
Sanierungsarbeiten hierfür fanden im Mai 2017 statt.


Darüber hinaus war von der Hausverwaltung ein Informationsblatt für
Mieter und Handwerker über den Umgang mit den verbleibenden
asbesthaltigen Fußbodenplatten zu erarbeiten. Eine Kopie dieses
Informationsblattes liegt dem BWA seit dem 12.04.2017 vor.

 

Frage 7:
Von Vertretern der Immeo SE wurde am 02.05.2018 auf einer
Mieterversammlung behauptet, dass die Asbestsanierung der
Kurfürstenstraße 148 in Abstimmung mit dem Bezirksamt durch
Versiegeln der betroffenen Flächen erfolgt ist und dass die Arbeiten
vom Bezirksamt abgenommen wurden. Wann hat das Bezirksamt
die Arbeiten überprüft und abgenommen?

Eine Abstimmung über eine geplante Asbestsanierung durch
Versiegelung der betroffenen Flächen über die unter 6. genannten
Maßnahmen hinaus ist hier (BWA) nicht bekannt.

 

Frage 8:
Ist es vorgesehen, ein Sozialplanverfahren zu installieren? Wenn ja,
wie soll dieses Konzept aussehen und sind bereits Verhandlungen
mit entsprechenden Trägern erfolgt?


Das geplante aber noch immer nicht vollständig mit der bezirklichen
Stadtplanung abgestimmte Bauvorhaben ist nur durch die Schaffung
neuen Baurechts zu erreichen. Dies bedeutet, es wird ein
Bebauungsplanverfahren notwendig.


Im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens wird vom Bezirksamt ein
Sozialplanverfahren gemäß § 180 BauGB beauftragt, welches vom
Vorhabenträger zu finanzieren sein wird.

Jörn Oltmann
Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Bauen