Ausübung des Vorkaufsrechts im Bezirk (seit BVerwG 4 C 1.20 - Urteil vom 09. November 2021)

Kleine Anfrage, Christine Scherzinger (LINKE)

1. Inwieweit sind Objekte im Bezirk noch in der Diskussion zum Thema Abwendungsvereinbarung? Wo gibt es ggf. Unklarheiten?

Es ist unklar, worauf die Frage abzielt.

Wenn mit der Frage die 61 Objekte angesprochen sind, zu denen dem Bezirksamt Abwendungsvereinbarungen (52) bzw. Abwendungserklärungen (9) vorliegen, ist deren rechtliches Schicksal aufgrund des Urteils des BVerwG nicht abschließend geklärt. Derzeit ist für 11 Objekte von der jeweiligen Käuferseite die Unwirksamkeit behauptet und/oder die Kündigung der Vereinbarung ausgesprochen worden.

Wenn aktuelle und künftige Vorkaufsrechtsfälle gemeint sind, sind die Aussichten auf Abwendungsvereinbarungen oder –erklärungen äußerst gering. Denn soweit der Ausschlussgrund des § 26 Nr. 4 BauGB in der Auslegung durch das BVerwG vorliegt, darf das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden; das Negativzeugnis ist dann unverzüglich zu erteilen, § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB. Für die sehr wenigen verbleibenden Fälle ist derzeit noch nicht geklärt, welchen Inhalt eine Abwendungsvereinbarung noch haben darf.

 

2.  Welche Kooperation gibt es zum Vorgehen mit SenSBW? Was empfiehlt die Senatsbehörde? Wie geht der Bezirk damit um?

Zwischen SenSBW und den Bezirksämtern hat ein Austausch zu den rechtlichen Folgen des Urteils des BVerwG insbesondere auf in der Vergangenheit abgeschlossene Abwendungsvereinbarungen bzw. abgegebene Abwendungserklärungen stattgefunden. Die Senatsverwaltung hat mögliche Argumente gegen die Nichtigkeit bzw. Kündbarkeit der Abwendungsvereinbarungen zusammengefasst und Formulierungsvorschläge zur Verfügung gestellt aber keine generelle Empfehlung abgegeben. Vielmehr wird das Risiko betont, dass sich die Vereinbarungen dennoch als nichtig erweisen könnten, weil die Beurteilung durch die Gerichte schwer vorhergesagt werden kann. Das Bezirksamt teilt die Einschätzung der Senatsverwaltung und setzt sich für die Fortgeltung der Abwendungsvereinbarungen ein. SenSBW bemüht sich um eine schnellstmögliche gerichtliche Klärung anhand eines Musterfalls.

 

3. Gibt es bereits Klagen von Eigentümern gegen bestehende Abwendungsvereinbarungen? Wenn ja, welche?

Bislang sind bestehende Abwendungsvereinbarungen nicht Gegenstand von Klageverfahren.

 

4. Wie verhält sich der Bezirk dazu?

Siehe 3.

 

5. Hat der Bezirk eine eigene juristische Einschätzung dazu? Welche?

Obwohl es gute Gründe gibt, die gegen eine Nichtigkeit bzw. Kündbarkeit der Abwendungsvereinbarungen sprechen, verbleit ein hohes Maß an Unsicherheit. Dies hängt mit der strittigen Qualifikation der Abwendungsvereinbarungen als Vergleichsvertrag und mehr noch als Vertrag i.S.d. § 54 Satz 2 VwVfG und der daraus folgenden Anwendbarkeit des § 59 Nr. 4 VwVfG zusammen. Bei einer möglichen Vertragsanpassung oder Kündigung gemäß § 60 VwVfG wird es auch darauf ankommen, ob durch das Urteil des BVerwG überhaupt eine wesentliche Änderung von Verhältnissen i.S.d. Vorschrift eingetreten ist, ob sich stattdessen lediglich das mit Abschluss der Vereinbarung übernommene Vertragsrisiko verwirklicht hat und ob ein Festhalten am Vertrag und ggf. auch eine Vertragsänderung unzumutbar sind. Das Bezirksamt unterstützt deshalb die Senatsverwaltung in ihren Bemühungen, zumindest zu einigen Fragen eine gerichtliche Klärung herbeizuführen.Wie viele Verkäufe von Gebäuden gab es seit dem Urteil vom 9. November 2021 im Bezirk, bei denen das Vorkaufsrecht nicht überprüft wurde? (Bitte das entsprechende Milieuschutzgebiet/Anzahl der Verkäufe angeben)

Das Vorkaufsrecht wird auch nach dem Urteil des BVerwG vom 09.11.2021 bei allen Verkäufen von Wohngebäuden in sozialen Erhaltungsgebieten geprüft. Allerdings ist die Ausübung bestehender Vorkaufsrechten aufgrund des Urteils regelmäßig ausgeschlossen.